Rezension

Ty Segall

Sleeper


Highlights: Sleeper // The Man Man // She Don't Care // Come Outside
Genre: Psychedelic // Garage // Folk
Sounds Like: White Fence // Michael Yonkers // Mikal Cronin

VÖ: 23.08.2013

Es dauert tatsächlich ganze vier Lieder, bis Ty Segall in seinem Ausrüstungsgewirr das Verzerrungspedal ertastet, durchdrückt – und ihm dann doch nur ein überraschend laues Lüftchen entlockt. Das wäre nicht weiter auffallend, wäre Ty ein x-beliebiger Indie-Knabe, der das Drosseln des Gain-Knopfes mit musikalischer Reife gleichsetzt. Doch Ty ist natürlich mehr: Er ist das hyperprolifische Wunderkind des ruppigen Garage Punk und Großmeister an der Bigmuff- und Fuzzface-Verzerrung. Und nachdem er letztes Jahr ganze dreimal dem frühzeitigen Tinnitus frönte, ist „Sleeper“ tatsächlich erst mal eine recht ermüdende Angelegenheit.

Doch es wäre natürlich falsch, hier aufzuhören, den Auswurf-Knopf einzustampfen und lautstark nach einer weiteren Auflage von „Twins“ zu verlangen. Erstens existiert dieses doch bereits. Zweitens fällt „Sleeper“ zwar in der Tat aus dem Rahmen, da es größtenteils akustisch ist, trotzdem fußt es immer noch auf den zwei anderen Pfeilern von Tys Klangkosmos: Dem Psychedelischen und dem Rückwärtsgewandten. Natürlich soll "psychedelisch" nicht als ellenlanges Gitarrengegniedel missverstanden werden, sondern vielmehr im Sinne der späteren Balladen der Beatles oder des heute leider vergessenen Michael Yonkers.

„Sleeper“ ist vielleicht sogar Tys geschichtsbewusstestes Album und erinnert auch akustisch an den Flickenteppich des Coverbilds. Immer wieder glaubt man, familiär wirkende Parts wiederzuerkennen und schafft es dann doch wie nach dem Aufwachen aus einem Dämmerschlaf nicht, sie eindeutig zuzuordnen. So hat man den Basslauf bei „Come Outside“ oder das Gitarrenriff in „Sweet C.C.“ schon sicher mal gehört. Nur wo genau? Ty Segall schafft es, vermeintlich abgedroschene Gemeinplätze erstaunlich frisch zu rekombinieren.

Allgemein ist die fließende, traumähnliche Atmosphäre gleichzeitig größter Segen und Fluch des Albums. Einerseits schafft es der für musikalische Schnellschüsse bekannte Ty, das wohl homogenste Album seiner Karriere zu veröffentlichen, andererseits fehlt es über Albumlänge doch etwas an Überraschungsmomenten und Ausbrüchen aus einem allzu familiären Trott, sodass sich kaum wirkliche Ohrwürmer herausschälen. Da hat der ebenfalls aus San Francisco stammende und langjährige Kollaborateur Mikal Cronin auf „MC2“ doch tatsächlich seinen Meister überflügelt.

Wer nun trotzdem den lauten Ty Segall vermisst: In wenigen Wochen erscheint das Debüt des völlig zutreffend betitelten Nebenprojekts „Fuzz“. Auch ein „Sleeper“ muss nicht notgedrungen faul sein.

Yves Weber

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