Rezension

Trip Fontaine

Dinosaurs In Rocketships


Highlights: Cachacha // Shine On You, Lazy Liaison // Echolalia
Genre: Postcore
Sounds Like: The Blood Brothers // Liars // Fugazi

VÖ: 07.03.2008

Ohne jetzt nationalgeschichtliche Grundsatzdiskussionen vom Zaun brechen zu wollen: Manchmal fragt man sich ja schon, ob es so vernünftig ist, dass Johnny Durchschnittsamerikaner sich die Stars & Stripes vor die Haustür hängen und seinen Stolz, im tollsten Land der Erde zu wohnen, in die Welt posaunen darf, während Hans Normaldeutscher schon fast ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn er während Fußballweltmeisterschaften nicht aus Prinzip die gegnerische Mannschaft anfeuert. "Deutschland und Deutsches doof, Ausländisches dementsprechend prinzipiell besser" scheint vielerorten die Devise zu lauten, und zmindest im Musikbereich scheinen viele zumindest unterbewusst nach dieser Logik zu leben. Oder wie kann man es sich sonst erklären, dass "Dinosaurs In Rocketships", der Zweitling von Trip Fontaine und eines der interessantesten Postcore-Alben der letzten Jahre, hierzulande eigentlich niemanden interessiert hat?

Denn das, was das Quintett aus Dudenhofen, Hessen - okay, vielleicht nicht gerade der ersten Assoziation zum Begriff "Rock 'n Roll City" - hier an Kreativität und handwerklichem Können demonstriert, hätte auch in den Staaten oder - wenn man sich einmal an der ebenfalls nicht abwegigen Referenz dEUS orientieren mag - Belgien nicht viel besser in einem Album kondensiert werden können. Aber da ja doch immer irgendwelche Vergleiche gebracht werden müssen, stelle man sich die leider aufgelösten Blood Brothers ohne deren charakteristische Überdrehtheit, die den Hörer irgendwie stets an Blutkreisläufe denken ließ, die auf Kokain basieren. Als Ersatz für diese gesunde Portion Wahnsinn tragen Trip Fontaine dafür eine gehörige Portion Pop-Appeal in ihrer DNA mit sich herum, der etwa in "Shine On You Lazy Liaison" in konzentrierter Form zum Vorschein kommt - einem dieser viel zu seltenen Lieder, die vom Poprockradio bis zur Musiknaziversammlung eigentlich überall funktionieren sollten.

Mindestens ebenso überzeugend sind Trip Fontaine jedoch, wenn sie nicht nur eine - wenn auch noch so gute - Struktur von Anfang bis Ende abfahren, sondern mitten im Song das Lenkrad herumreißen, um die Karre - um nur zwei Beispiele zu nennen - an einem idyllischen Indierock-Zwischenstop vorbei zu führen oder sie einfach an die nächste Noisewand zu knallen. So ist sich das ruhig gehaltene "Moon Balloon" nicht zu schade, in seinen letzten Sekunden noch eine kurze Rumba-Einlage hinten dran zu kleben, "Rio, How Nice..." explodiert nach zwei Minuten intensivsten Spannungsaufbaus förmlich und "Cachacha" klingt ungefähr so, als hätte jemand Shellac und die Liars gezwungen, in einem Spiel auf Leben und Tod gegeneinander wettzujammen

"Some Use Many Eyes" erlaubt es sich dann auch nicht komplett bis zum Ende, einfach nur ein guter Alternative-Rock-Song zu sein, "Das Ende vom Zelt" 1 & 2 schließlich bildet nicht nur einen gelungenen Abschluss, der Titel der Tracks erinnert auch wieder einmal nachdrücklich daran: Ja, es ist tatsächlich eine deutsche Band, die hier so ein Feuerwerk von Ideen ablassen konnte. Vielleicht immer noch kein Grund, sich die Deutschlandflagge an die Garagenwand zu pinnen - aber hoffentlich einer, auch hierzulande heimischen jungen Bands die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen.

Jan Martens

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