Rezension

Tori Amos

American Doll Posse


Highlights: Beauty of Speed // Dragon
Genre: Pop
Sounds Like: Kate Bush // Joni Mitchell // PJ Harvey // Sinéad O'Connor

VÖ: 27.04.2007

Im Jahr 2000 meinte ein Kollege beim Anblick des Tori Amos Backkatalogs, sie – also Tori – sei in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Vielleicht hatte er „To Venus And Back“ da schon gehört, ich zumindest konnte die Aussage nicht nachvollziehen, hatte aber ebenfalls das Interesse an ihrem aktuellen Output verloren. Keinem der nachfolgenden Alben gelang es beim Probehören, mein Interesse zu wecken.

Nun erscheint also Tori Amos’ neuntes Studioalbum „American Doll Posse“. Der Nachfolger zu ihrem - in Deutschland bisher (chart)erfolgreichstem Album „The Beekeeper“ - sowie seine Vermarktung spielen mit dem von der Künstlerin zugrunde gelegtem Konzept, es handele sich im Grunde um Songs von fünf verschiedenen Persönlichkeiten. Doch gesteht Tori im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Ich wäre überrascht, wenn jemand es [welche Frau gerade singt] ohne die Informationen im Cover-Artwork der Platte erkennen könnte.“ Entsprechend ist das Konzept für den Hörer ohne jedes Interesse. Über Gefallen oder Missfallen entscheidet allein die Musik.

Eine Musik, die sich nahtlos in das bisherige Amos’sche Schaffen eingliedert. Eine Entwicklung erkennt man nur bedingt, die Instrumentierung geht häufig über das hinaus, was wir – also ich zumindest – besonders an ihr schätzen. Heißt also, sie und ein Klavier oder allgemein sie und ein Tasteninstrument werden zu häufig von Gitarren oder überhaupt einer Backing-Band ergänzt. Der Mangel einer Veränderung stellt sich also eben nicht als ein solcher dar. Eine „Nicht“-Entwicklung, einen Gleichstand wünschen wir uns und unser Wunsch wird erfüllt. Auch die Qualität des Songwritings zeigt keine – oder zumindest kaum – Schwächen. Kaum, weil die kurzen Nummern, wie der Opener „Yo George“, oder aber „Fat Slut“, „Devils and Gods“, „Programmable Soda“, „Velvet Revolution“ und „Posse Bonus“ kaum als Songs durchgehen. Es bleiben unausgereifte Ideen. Vielleicht liegt in ihnen der Gesamteindruck begründet, „American Doll Posse“ streiche seicht an einem vorbei und berühre kaum bis gar nicht. Wie schon „The Beekeeper“ und „Scarlet’s Walk“ finden sich auf dem Posse-Album überdurchschnittlich viele Songs, 23 an der Zahl - und die mögliche Spieldauer einer CD nutzt die Künstlerin gnadenlos aus. Ein solcher Output schließt fast zwangsläufig schwächere Nummern ein, die aber – außer den Miniaturen – nur deshalb schwach sind, weil der Rezensent sich von ihnen nicht berührt fühlt. Das Unerfreuliche dabei ist dann, dass fast alle Songs in dieses Schema fallen.

Hinzu kommt das Gefühl, vieles schon gehört zu haben, als wiederhole Tori Amos sich in ihrem Songwriting (z. B. „You Can Bring Your Dog“). Das störte nicht, wären ihre Alben seltene Ereignisse. Aufgrund der Regelmäßigkeit ihrer Veröffentlichungen jedoch, fällt es ebenso ins Gewicht, wie die Erkenntnis der Überproduktion der Songs, der mangelnden Einfachheit, also des offenbaren Versuches von Amos, möglichst viele Ideen auf möglichst vielen Spuren unterzubringen.

Exemplarisch seien „Teenage Hustling“ und „Almost Rosey“ angeführt. Ersterer beginnt zart und bricht dann nahezu rockend los, inklusive Rockriffs und Schlagzeug. Toris Stimme besitzt genau den Zauber, den ihre Fans lieben, trotz der Rauhigkeit des Songs packt es zunächst, verliert aber schnell die Faszination, wiederholt sich, verströmt eine poppig anbiedernde Atmosphäre, die schmerzt. Noch weniger überzeugt jedoch eine Nummer wie „Almost Rosey“, die – abzüglich der Stimme – von jeder folk-orientierten Pop-Künstlerin der letzten vierzig Jahre geschrieben worden sein könnte. Durch Brüche und Variationen gewinnt es zwar eine gewisse Einzigartigkeit, doch überfrachtete Produktion und mangelnde Intensität lassen den Song an einem vorbeiplätschern…wie einen Großteil des Albums.

Der Tori Amos Fan wird sich das Album unbesehen kaufen, der Kenner wird es probehören und sich vielleicht sagen, davon habe er genug. Für den Neuling bietet „American Doll Posse“ jedoch einen ebenso guten Einstieg in das Amos’sche Werk, wie fast jedes andere ihrer Alben.

Oliver Bothe

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