Rezension

Timber Timbre

Hot Dreams


Highlights: Curtains!? // This Low Commotion // Run From Me
Genre: Gothic Folk // Blues // Experimental
Sounds Like: Dead Man's Bones // Tom Waits // Bill Callahan

VÖ: 28.03.2014

Ob Albumrezensionen wohl häufiger gelesen werden, wenn man darin ganz nebenbei den Namen Ryan Gosling erwähnt? Im Fall von Timber Timbres neuem Album „Hot Dreams“ ist es zumindest einen Versuch wert. Denn auch wenn es vielleicht etwas eigenartig erscheinen mag, beim ersten Auflegen einer Platte unweigerlich an einen der begehrtesten Schauspieler der Welt zu denken, ist es meiner Wenigkeit tatsächlich so ergangen. Wer Goslings Karriere aufmerksam verfolgt und auch von Taylor Kirk bereits etwas gehört hat, ahnt womöglich schon, woher die letztlich gar nicht so weit hergeholte Assoziation rührt. Mit seiner Zwei-Mann-Band Dead Man’s Bones veröffentlichte Gosling nämlich vor einigen Jahren ein gleichnamiges Album, das allerlei Spukgeschichten von Zombies und anderen Monstern erzählte – und dabei gleichermaßen groovy wie gruselig klang.

Womit wir auch schon bei Taylor Kirks neuestem Werk angelangt wären, bei dem der so unheimlich treffende Albumtitel des Vorgängers „Creep On Creepin' On“ immer noch Programm ist. Denn auch „Hot Dreams“ ist creepy as hell, wie der Kanadier sagen würde. Dabei sind es hier jedoch – trotz „emerald coffins“ und „mystery mist“ allein im Opener – weniger die Texte, die für die schaurige Atmosphäre sorgen, als vielmehr die unnachahmlichen Klanglandschaften, die Kirk und Kollegen durch viel Reverb, Wah-Wah sowie andere verzerrende und verfremdende Effekte schaffen. Beats und Basslines zeugen dabei immer wieder von einem untrüglichen Gespür für Groove; während es bei Dead Man’s Bones aber noch einen Kinderchor gab, der allem Spuk und Horror ein gewisses Augenzwinkern aufsetzte, werden einem auf „Hot Dreams“ nur selten solch auflockernde Lichtblicke gegönnt.

Der lässige, ja fast schon loungige Titeltrack kommt dieser Aufgabe wohl noch am nächsten. Begleitet von lieblichen Wurlitzersounds, gedämpftem Doo-Wop-Backgroundgesang und einem zwar schmalzigen, aber schlicht unwiderstehlichen Saxophonsolo verliert sich Kirks sehnsuchtsvolle Stimme hier zunehmend in honigsüßem Soul, wie man ihn sonst nur selten von ihm zu hören bekommt.  „Curtains!?“ ist da schon ein wesentlich repräsentativeres Beispiel für den eigentlichen, wesentlich düstereren Sound des Albums. Was mit Orgel, markanter Bassline und raunendem Kläffen beginnt, wird nämlich zunehmend von regelrecht gespenstisch wirkenden Soundschwaden umhüllt, die einem im Dunkeln fast schon ein wenig Angst machen können. „The New Tomorrow“ lässt vor dem inneren Auge gar das Bild eines im Nebel versinkenden Geisterschlosses entstehen, an dessen riesiges Tor immer wieder unheilvoll geklopft wird. Die Kirchenglocke im Hintergrund tut ihr Übriges.

In „Run From Me“ hingegen fühlt man sich ausnahmsweise einfach nur in eine ganz normale Kneipe versetzt, in der in einer der hintersten und verrauchtesten Ecken kurz vor Feierabend noch jemand am Barpiano sitzt, während der Kellner bereits bei den letzten Gästen abkassiert und die Stühle auf die Tische stellt. Selbst diese zunächst so überraschend minimalistisch anmutende Klavierballade mündet letztlich aber – nach einem kleinen Abstecher in Jungfrau-in-Nöten-Gesänge und dramatische Streichereinlagen – in unerwartet psychedelischen Klängen, die einen gedanklich direkt wieder in gänzlich andere Sphären manövrieren.

Natürlich sehen die ultimativen Szenen und Bilder, die einem bei Hören dieses ausgesprochen evokativen und experimentellen Albums in den Sinn kommen, letzten Endes bei jedem ein wenig anders aus. Man kann aber zumindest stark davon ausgehen, dass in den meisten Kopfkinos wohl entweder ein Film Noir, ein Spaghetti-Western oder ein David-Lynch-Streifen läuft – vielleicht sogar mit Ryan Gosling in der Hauptrolle.

Paulina Banaszek

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