Rezension

Tim Neuhaus

Pose I + II


Highlights: The Music That You Are // Control
Genre: Singer/Songwriter
Sounds Like: Maritime // Sir Simon Battle

VÖ: 22.09.2017

Dass DIY nicht nur krachigen Punk oder Lagerfeuerromantik mit Akustikgitarre bedeuten muss, zeigt Tim Neuhaus mit seinem neuen Album. Der Wahlberliner hat auf „Pose I + II“ beinahe alle Instrumente selber eingespielt und versucht, technischen Schickschnack gegen Experimentierfreude einzutauschen, um so eine Platte zu schaffen, die ihn möglichst umfassend repräsentiert. Deshalb ist das Album in zwei Hälften unterteilt, die von einem Interlude verbunden werden: Der eine Teil zeigt den poppigen Tim Neuhaus, der zweite den frickeligen Multiinstrumentalisten.

„Pose I“ ist gerade zu Beginn ungewöhnlich laut und rockig. Die Kollaborationen mit Clueso, Boy und Glen Hansard zeigen sich hier ganz deutlich darin, dass es Neuhaus gelingt, sehr poppige Songs zu schreiben, die aber trotzdem nie zu zuckrig wirken. Vor allem der Opener „The Music That You Are“ hat es in sich und schielt mit dem einen Auge ein wenig Richtung Stadion. Das ist nicht das, was man von Tim Neuhaus gewohnt ist, der sich bisher doch vor allem durch gitarrenlastigen Singer/Songwriter-Pop hervorgetan hatte. Neue Töne bietet auch „Pose II“, das voller Soundspielereien ist. Zwar brechen die Lieder hier nicht ganz aus den Sphären des heimeligen Pops aus, die Tim Neuhaus auf den vorherigen beiden Alben zu seinem Spielfeld erkoren hat, aber ihre Grenzen werden immer wieder ausgetestet und hier und da ein wenig gedehnt. Vor allem im Bereich von Rhythmus und Percussions wird hier viel herumgespielt.

Interessant sind an dem Album vor allem die Elemente, die sich durch das gesamte Album ziehen. Das ist neben Neuhaus‘ warmer Stimme vor allem das Schlagzeug, das nie einfach nur als Taktgeber fungiert, sondern den Songs stets mit interessanten Rhythmen ein gewisses Etwas verleiht, das vielen anderen Popsongs normalerweise fehlt: Durch diese ständige Variation kommt kein Gefühl der Wiederholung auf, sondern jedes Lied hat einen eigenen Charakter. Und das Schlagzeug hat noch eine weitere wichtige Funktion. Es zeigt sehr deutlich, dass die beiden ach so unterschiedlichen Charaktere, die Neuhaus auf „Pose I + II“ präsentiert, in Wahrheit doch Seiten ein und derselben Münze sind: Bei aller Frickelei kommen doch immer auch ruhigere Popstrukturen durch, aber die poppigen Songs gibt es andererseits auch nicht aus dem Baukasten, sondern stets mit musikalischen Kniffen. Mal hören, was passiert, wenn die beiden Seelen, die – ach – in Tim Neuhaus‘ Brust wohnen, in Zukunft noch enger miteinander zusammenarbeiten. Das kann spannend werden.

Lisa Dücker

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