Rezension

The Wedding Present

Going, Going


Highlights: Two Bridges // Bear // Bells
Genre: Indie-Rock
Sounds Like: Cinerama // The Pastels // Teenage Fanclub // The Smiths

VÖ: 02.09.2016

Die ersten vier Lieder lang ist „Going, Going...“, das neunte Album der seit 31 Jahren existierenden Indie-Legende The Wedding Present, eine einzige Zumutung. Sperriges Ambientgeorgel auf „Kittery“, das Herunterrattern von geographischen Koordinaten auf „Greenland“, oder das Gefiedel auf „Sprague“, das eine besonders aufrüttelnde Szene in einem drittklassigen Indie-Film untermalen könnte: Was ist hier schiefgelaufen? Und: Ist das überhaupt eine einzige Band? Oder doch ein Mixtape zur Untermalung des Artensterbens? Waren The Wedding Present früher mal die Schnittstelle zwischen New Wave, C-86 und Indie-Rock, so wird der Zuhörer erst mal mit prätentiöser Post-Irgendwas-Kacke genervt.

Doch mit dem fünften Lied „Two Bridges“ kehrt dann alles zum Alten zurück: The Wedding Present klingen so, wie man es kennt, mag und seit Ewigkeiten schätzt. Waren die Opener also reine Provokation? Oder Stilmittel, um den bandtypischen Klang umso mehr zu wertschätzen? Wie dem auch sei: Das neue Album startet erst mal denkbar schlecht und ist gleichzeitig ein Argument gegen den Kauf des Vinyls.

Allerdings hat die Band nun noch sechzehn Songs, um den Zuhörer zurückzuholen. Das ist viel, und so versteckt sich auch viel unnützes Füllmaterial auf diesem Album. Vor lauter anfänglicher Euphorie über die Rückbesinnung geht fast verloren, dass die Lieder nur selten an die Qualität der großen Vorgänger aus den Achtzigern und Neunzigern anknüpfen können. Somit könnte der merkwürdige Einstieg auch zum Ziel haben, überzogene Erwartungen zu drosseln.

Im Vorhinein war bereits klar, dass „Going, Going...“ kein Referenzalbum sein wird. Kein weiteres „Bizarro“ oder „Seamonsters“, nicht mal ein „Take Fountain“, welches vor gut zehn Jahren das Comeback der Band eingeläutet hat. Ein schlechtes Album ist „Going, Going...“ trotzdem nicht. Das hymnische „Bells“ will man zukünftig auf keinem Konzert mehr missen, das punkige „Secretary“ erinnert an die Anfänge der Band und das abschließende „Santa Monica“ nimmt sich Zeit, um Steigerungen anwachsen zu lassen. Hits gibt es hier genug, man muss sich nur die Zeit nehmen, um in diesem fast achtzigminütigen Musikdickicht die weniger gelungenen Lieder herauszufiltern. Eine solche Kuratorenarbeit sollte jedoch nicht vum Zuhörer ausgeführt werden müssen: Das wirft ein schlechtes Licht auf das Urteilungsvermögen der Band.

Yves Weber

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!