Rezension

The National

Trouble Will Find Me


Highlights: I Should Live In Salt // Demons // Sea Of Love // Humiliation
Genre: Indie
Sounds Like: Interpol // Lambchop // Nick Cave & The Bad Seeds // Tindersticks

VÖ: 17.05.2013

Ihre ganze Bandgeschichte lang haben The National nach eigenen Aussagen etwas gesucht, das Ziel angestrebt, ihr Meisterwerk zu erschaffen, genau ihren Sound zu finden. Das haben sie geschafft – mit dem 2010 erschienenen "High Violet", einer extrem dichten und sehr guten Platte, mit der und mit der Tour, die der Veröffentlichung folgte, eine Entwicklung abgeschlossen wurde: Die Herren um Matt Berninger waren nun ganz bei sich, sie waren angekommen. Für "das Album danach" bietet das natürlich auch Gefahren, nach erreichtem Ziel könnte die Spannung abflachen. Dies ist aber nicht der Fall. "Trouble Will Find Me", das sechste Studioalbum der Band, ist ein erneutes dichtes Meisterwerk einer Band, die ganz bei sich ist, und nun, nicht mehr suchend, ganz befreit ein neues Album macht.

"I Should Live In Salt" eröffnet dieses und setzt das Setting – eine Kunst, die die Band seit eh und je beherrscht. Was wären "Alligator", "Boxer" und "High Violet" ohne ihre Opener? Diese Songs wickeln den Hörer ein und packen ihn, die Grundstimmung der Platte wird transportiert. So auch hier: "I should live in salt for leaving you" singt Berninger eindringlich im Refrain des getragenen Midtempo-Songs, und der Hörer ist dabei und erst nach dem letzten Song wieder losgelassen. Dieses Album ist wohl das homogenste der Band, was immer auch ein Nachteil sein kann im Sinne von mangelndem Abwechslungsreichtum. Hier allerdings ist es Homogenität im Sinne von sehr hohem Niveau jedes einzelnen Songs, bis auf die Hymne "Sea Of Love", jetzt schon ein Klassiker, sticht kein Song heraus. Schade hingegen ist, dass die Band wie auch schon auf "High Violet" eine unkontrollierte Intensität zu Gunsten der dichten und intensiven Produktion aufgibt: Berninger, und auch die Dessner-Brüder, schreien nicht mehr, diese austickende, explodierende Emotionalität fehlt.

Auf "Trouble Will Find Me" gibt es stattdessen völlig ausgefeilte Harmoniegesänge und eine dichte Produktion. Diese ist der einzige größere Kritikpunkt an der Platte, denn sie klingt leider wie beim Vorgänger schon schlicht viel zu dumpf, nicht zu vergleichen mit der unglaublichen Weite des Vorvorgängers "Boxer". Ein schwer verständlicher Faktor, schließlich sind die Herren, vor allem die Dessner-Brüder, Perfektionisten und die Produktion muss genau so gewollt sein. Dichtheit und innere Geschlossenheit vor Weite und emotionaler Explosivität? Zumindest zur Homogenität der Songs könnte das passen, hier ist aber auf jeden Fall noch Luft nach oben gewesen.

Bei den Songs dagegen wäre kaum Luft nach oben gewesen, nicht nur ein neuer The-National-Lieblingssong ist dabei. Allen voran die Hymne "Sea Of Love", in der der stetig zweifelnde, schwankende, zerbrechliche Berninger bekennt "If I stay here trouble will find me", und so auch den Hörer im Ungewissen lässt: Niemand weiß, ob Berninger bleiben und sich den Problemen hingeben oder fliehen wird. Mit Songs wie "I Need My Girl" oder "Fireproof" gibt es auch wieder neue leise, wunderbare Heimlichkeiten zu genießen, The-National-Songs, die bleiben werden. Dazu gehören definitiv auch "Humiliation", "Pink Rabbits" und "Hard To Find", das Balladen-Triple zum Ende des Albums. Nicht nur bei diesen Songs, gerade bei ersterem, wird einmal mehr klar, wie unverzichtbar Schlagzeuger Bryan Devendorf für die Band ist, wenn er auch nicht mehr so eindeutig heraussticht wie auf früheren Werken.

Matt Berninger dagegen ist einmal mehr völlig bei sich, auch "Trouble Will Find Me" ist reine Katharsis für einen tiefemotionalen Mann. "I have only two emotions // careful fear and dead devotion" singt er in "Don't Swallow The Cap", und wir können uns geehrt fühlen, dass er uns an seinen einmal mehr feinfühligen und großartigen Worten teilhaben lässt. The National sind weiterhin eine Wonne, die Kombination aus Berningers Stimme und Worten und diesen perfekten "Begleit"musikern weiß – trotz schwacher Produktion – einfach nicht zu enttäuschen. Und "Trouble Will Find Me" ist kein neues "Alligator", kein neues "Boxer", kein neues "High Violet". Es ist das neue Album einer Band, die angekommen ist, aber die dennoch lange noch nicht fertig zu sein scheint.

Daniel Waldhuber

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Video zu "Sea Of Love"

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