Rezension

The Gaslight Anthem

Handwritten


Highlights: 45 // Mulholland Drive // B
Genre: Rock
Sounds Like: Bruce Springsteen // Hot Water Music // Tom Petty // Jupiter Jones // The Horrible Crowes

VÖ: 20.07.2012

Eigentlich war es ja schon klar, als 2006 die erste Demoversion von „Drive“ erschien: The Gaslight Anthem waren von Anfang an für Großes prädestiniert. Dies ist umso erstaunlicher, als die Vier mit ihrer Musik eigentlich immer das Gefühl vermittelten, dich, und zwar nur dich, zu verstehen – doch war dies ein Gefühl, das scheinbar jeden so sehr ergriff, dass die Fanchöre auf den Shows dann von Album zu Album und Tour zu Tour immer größer wurden. Wie groß sie noch werden konnten, ohne irgendwann den Einzelnen wieder zu vergraulen, war stets die Frage, die jetzt mit „Handwritten“ vielleicht endgültig beantwortet werden muss.

Der Plan war ja eigentlich ein anderer: Härter solle „Handwritten“ wieder werden, was in der Sprache Gaslight Anthems wohl so viel heißt, dass die nicht totzukriegende Romantik bärtiger, Holzfällerhemden tragender Männer wenigstens durch das eine oder andere harte Riff etwas weniger frauentauglich gemacht wird. Der gute Wille war auf „Handwritten“ wohl immerhin da: Zumindest zwei der Bonustracks – „Blue Dahlia“ und das Nirvanacover „Silver“ – bolzen auch dementsprechend nach vorne, ansonsten schienen die New-Jersey-Jungs ihren Plan gerne mal nach den ersten Sekunden eines Songs aufgegeben zu haben: Man nehme nur das bereits seit einiger Zeit bekannte „Biloxi Parish“, das einem zu Beginn erstmal ein ungewöhnlich donnerndes Riff vor den Latz knallt, bevor Brian Fallon mit einer Refrainzeile wie and who else can say that I loved you, Baby? dann doch wieder die Herzen eines jeden Mädchens zum Schmelzen bringt, das mindestens einen Piercingring im Gesicht stecken hat.

Und was ansonsten in auffällig vielen Songs zu bemerken ist: Nicht etwa Roughness der alten Schule, sondern ein Brian Fallon, der scheinbar beim Glücksrad zu viele Vokale gekauft hat und diese in Form diverser whoawhoa hier, shalala dort und heheheeeey wieder unter's Volk bringen muss. Dies wirkt kaum in einzelnen Songs, sondern nur in Kombination etwas gewollt und anbiedernd – für sich alleine ist immer noch so gut wie jeder Song, vielleicht mit Ausnahme des etwas übertrieben schmalzigen „Desire“ und der gewöhnungsbedürftigen Klischeestreicherballade „National Anthem“, jene oben beschriebene Umarmung des Holzfällers mit Herz, die wohl jeder oft genug gebrauchen kann. Da jetzt noch im Speziellen auf die erste Single „45“ oder das Ende von „Mulholland Drive“ zu verweisen, wäre relativ müßig. Für die Zukunft bleibt da nur die Gefahr, dass diese wunderbaren Gaslight-Anthem-Stärken irgendwann zu einer Parodie ihrer Selbst werden – gerade im Hinblick darauf, dass hier im Gegensatz zum Vorgängeralbum kein Song wie „The Diamond Church Street Choir“ mal komplett aus der Reihe fällt. Insofern könnten The Gaslight Anthem spätestens nach dem fünften Album dann Stadionkonzerte spielen, die von den Clubkonzertbesuchern der ersten Stunde mit einem Tränchen der Wehmut im Auge komplett gemieden werden. Und gerade bei einer Band wie dieser möchte man eigentlich genau das auf keinen Fall.

Jan Martens

Sehen


Video zu "45":

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!