Rezension

Tame Impala

The Slow Rush


Highlights: Lost In Yesterday // Is It True // It Might Be Time
Genre: Psych-Pop // Disco // Funk
Sounds Like: Daft Punk // Pond // Unknown Mortal Orchestra // Toro Y Moi

VÖ: 14.02.2020

Mit „Currents“ gelang es Kevin Parker, den Sound seiner Band Tame Impala in einer aufs Essentielle destillierten und in seiner zugänglichsten Form zu konservieren. Retrospektiv ein Klassiker der eigenen Diskographie, der Tame Impala zu einer der angesagtesten Rockbands ihrer Generation aufsteigen ließ und sie auf den Line-Ups großer Musikfestivals fortan an erster Stelle platzierte. Pünktlich zum Coachella 2019 sollte daher der Nachfolger „The Slow Rush“ erscheinen, doch Parker hielt die Veröffentlichung im letzten Moment zurück: Es schien ihm nicht mehr gut genug. Stattdessen ging er noch einmal in sich und so findet sich die frühe Single „Borderline“ etwa in einer Überarbeitung der Überarbeitung auf der Platte wieder. „Patience“ hingegen, ein flotter, Percussion-getragener Yacht-Rock-Song, der noch etwas von einem Bandgefühl vermittelte und der letztes Jahr als erster Vorbote neuen Materials erschien, blieb ganz auf der Strecke und ist auf dem Album gar nicht mehr enthalten.

„The Slow Rush“ ist wie schon „Currents“ eine, diesmal vielleicht umso tiefere, Verbeugung vor Disko-Sounds und groovenden Basslines und befasst sich nicht nur physisch, sondern auch inhaltlich mit dem Thema Zeit – die Songtitel sprechen für sich. „Lost In Yesterday“, „It Might Be Time“ oder die zweite Hälfte von „Posthumous Forgiveness“ machen genau dort weiter, wo das Erfolgsalbum vor fünf Jahren endete. Man muss sich Parker wie einen Jäger und Sammler vorstellen, der sich in den Archiven tanzbarer Musik austobt und seinen psychedelischen Pop so zwischen Disco, Funk, R’n’B und Italo-House austariert. Wenn „One More Year“ mit Roboter-haften Vocodereffekten beginnt und schließlich in dem Sample- und Beat-basierten „Instant Destiny“ mündet, wird einmal mehr klar, dass Tame Impala längst aus dem Probenraum verbannt und in die Balken diverser Spuren digitaler Musikbearbeitungssoftware gezwängt wurden. Im besten Fall klingt das nach vorsichtiger, musikalischer Vision. So begeistern etwa die Anleihen an Balearic-House, die in „Glimmer“ lediglich als zweiminütiger Schnipsel präsentiert werden. In „Breathe Deeper“ oder „Is It True“ – einem heimlichen Highlight – zeigt sich Parkers Talent, retrofuturistische Songs zu produzieren, bei denen nicht ganz sicher ist, ob sie den 1980ern oder 2080ern entstammen.

Dennoch, der Parker-Zentrismus der Klangwelt Tame Impalas wird zunehmend zum Problem. „Borderline“ beispielsweise präsentiert wieder und wieder die gleiche simple Melodie, die, ob man sie nun mitreißend oder egal findet, offenlegt, dass unter der Oberfläche der zahlreich geschichteten Klangflächen nicht viel passiert. Es verwischt das Persönliche, während sich Parker in eigenen Sphären um sich selber dreht. An anderer Stelle reicht seine Stimme, die so wunderbar zu den verträumten, barfüßigen Hippiekompositionen der Anfangstage der Band passte, nicht aus, um dem Pop-Bombast noch einen nennenswerten Stempel aufzudrücken. Statt nach Parkers Heimatstadt Fremantle in Australien oder Los Angeles – in diesen beiden Städten entstand „The Slow Rush“ – klingt vieles hier leider so gesichtslos wie eine Wartehalle des verbindenden Flughafens dazwischen. Das Album mag noch als gut durchgehen, doch es ist mit Abstand Tame Impalas schwächstes.

Jonatan Biskamp

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