Rezension

Sufjan Stevens, Lowell Brams

Aporia


Highlights: The Runaround
Genre: Ambient // New-Age
Sounds Like: John Carpenter

VÖ: 27.03.2020

Sufjan Stevens gehört zu der Art Musiker, die gefühlt seit einer Ewigkeit in regelmäßigen Abständen Alben veröffentlichen und es durch neue Ansätze immer wieder schaffen, interessant zu bleiben und sich Gehör zu verschaffen. Diesen Mix aus Kontinuität und Überraschung schaffen nicht viele, ohne dabei mit dem „Ach, der schon wieder“-Label versehen zu werden. Sufjan Stevens irgendwie schon. Was vor allem an den doch recht ungewöhnlichen Kontexten liegt, in und über die er seine Musik schreibt und veröffentlicht. „Enjoy Your Rabbit“ von 2001 behandelt die chinesischen Tierkreiszeichen, „Michigan“ (2003) und „Illiois“ (2005) abstrahieren ihre Geschichten aus den jeweiligen US-Staaten, „Planetarium“ (2017) ist dem Universum gewidmet und „Carrie And Lowell“ (2015) thematisiert die Beziehung seiner zuvor verstorbenen Mutter zu seinem Stiefvater Lowell Brams.

Dass es nun eben jener Brams ist, mit dem er sein neuestes Werk veröffentlicht, scheint erstmal abstrus, im Kontext von Sufjan Stevens aber alles andere als abwegig. Stiefvater und -sohn verband schon zu Stevens Jugendzeiten eine enge Bindung. 1999 gründeten sie gemeinsam das Label Ashmatic Kitty Records und veröffentlichten dort 2008 das verschoben hypnotische Instrumentalalbum „Music for Insomnia“. Das nun auch „Aporia“ elektronisch und fast ausschließlich instrumental zwischen New-Age- und Ambient-Sounds hin und her pendelt, scheint gerade bei Brams langer Vorgeschichte mit experimentellen und elektronischen Releases folgerichtig. Fans von Stevens herzerwärmenden Indie-Folk-Schmanklern werden dagegen enttäuscht. Aufgenommen in mehreren Jam-Sessions ist das Album eine Sammlung einer ganzen Bandbreite elektronischer Spielarten und erinnert beim Durchhören eher an ein gut gemeintes Darstellen der Experimentierfreudigkeit als ein schlüssiges Konzeptalbum. Ein roter Faden ist kaum erkennbar, stattdessen stehen mystische Klangwelten neben industrieller Schwere und avantgardistischen Interludes – und wirken dabei ein wenig willkürlich.

„You know how it is with jamming: ninety percent of it is absolutely horrible, but if you’re just lucky enough, ten percent is magic. I just kept pulling out these little magical moments”, erklärt Stevens den musikalischen Ansatz. Diese Magie kommt beim Hören jedoch nur ansatzweise rüber, was auch an den recht abrupten Stimmungswechseln zwischen den Tracks liegt, die ein Einfühlen in die Musik erschweren. Lediglich die starke Vorabsingle „The Runaround“ überzeugt mit dem richtigen Gleichgewicht zwischen Verträumtheit und Zielstrebigkeit. Der einzige Track auf „Aporia“, auf dem Stevens Stimme zu hören ist und der so oder so ähnlich auch auf einem Release von Folk-Mastermind Justin Vernon hätte erscheinen können, weist im Ansatz so etwas wie eine greifbare Songstruktur auf, dessen Stimmung im anschließenden „Climb That Mountain“ schlüssig aufgegriffen und im post-rockigen Ambiente verpackt hervorragend funktioniert. Das darauffolgende „Captain Praxis“ überzeugt zunächst mit einem krautig-hypnotischen Beat, der sich jedoch in weniger als eineinhalb Minuten in einem sphärischen Klangteppich verliert und exemplarisch für das nicht ganz ausgeschöpfte Potential des Albums steht. Was schade ist und Fragen nach dem Mehrwert des Releases aufkommen lässt. Für Brams ist dieses Album gleichzeitig der angekündigte Rückzug von Ashmatic Kitty Records. Für Stevens dagegen ein weiterer Release, der seine musikalische Vielfältigkeit unterstreicht – wenn auch nicht so stimmig wie zuvor.

Abhilash Arackal

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