Rezension

Spanish Love Songs

Brave Faces Everyone


Highlights: Routine Pain // Kick // Brave Faces Everyone
Genre: Indie-Rock
Sounds Like: The Gaslight Anthem // Manchester Orchestra // The Menzingers

VÖ: 07.02.2020

Ob das Glas nun halbvoll oder halbleer ist: Als Allegorie ist die Frage komplett ausgelutscht oder eben -getrunken. Wenn Dylan Slocum am Anfang zu den ersten Noten von „Routine Pain“ aber „On any given day, I'm a six of ten“ konstatiert, wird da die emotionale Grauzone schon etwas kreativer lyrisch fruchtbar gemacht. 6/10 klingt ja schon zunächst nach unspannendem Mittelmaß – aber wer sagt denn, dass das schlecht sein muss?

Diese Gratwanderung muss machen, wer Spanish Love Songs richtig einordnen möchte. Zu leicht, das kalifornische Quintett komplett als Tränendrüsendrücker für all die abzustempeln, die über ein Jahrzehnt nach „The '59 Sound“ eine neue Lieblingsband zum Holzfällerhemdenvollheulen benötigen. Zugegeben – dass sich die Tracklist des Drittalbums „Brave Faces Everyone“ dank Titeln wie „Losers“ oder „Generation Loss“ trauriger liest als die Todesanzeigenseite der Regionalzeitung, ist solchen Stimmen zunächst auch nur Tränenwasser auf die Mühlen.

Doch war „Schmaltz“ 2018 nicht nur deswegen das liebste Album von so gut wie jedem Indiepunk(-Sozialisiertem), weil es ihnen Klöße im Hals wachsen ließ, sondern auch, weil man Spanish Love Songs stets anmerkte, dass sie sich von all dem Weltschmerz nicht unterkriegen lassen wollten. Dies zeigten zum einen die simple Energie und Spielfreude, mit der sie auf „Schmaltz“ Hymne an Hymne und Hit an Hit reihten, zum anderen aber auch die immer wieder durchblitzende (Selbst-)Ironie, die Songs wie „The Boy Considers His Haircut“ prägte.

Und dort macht auch „Brave Faces Everyone“ weiter. Auch dort darf ein all die Enttäuschungen des täglichen Lebens thematisierender Song zwar sogar „Losers 2“ – immer dieser Sequel-Wahn! – heißen, aber trotzdem nicht ohne himmelhochjauchzenden Refrain auskommen. Muss „Self-Destruction (As A Sensible Career Choice)“ fünf Tracks später auch „Optimism (As A Radical Life Choice)“ folgen. Jagt wieder eine Hymne die nächste. Und wenn die finale Zeile „We were never broken, life's just very long – brave faces everyone“ dir das runterhängende Kinn wieder anhebt, sind das Worte, auf die man anstoßen kann. Ob mit halbvollem oder halbleerem Glas.

Jan Martens

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