Rezension

Small Leaks Sink Ships

Golden Calf


Highlights: Creepin' // Dancing Devil // Psychotic Opera // Tethered Wires
Genre: Indie // Art-Pop // Math-Rock // Emo
Sounds Like: Conveyor // Soul Low // Wolf Parade // The Speed Of Sound In Seawater

VÖ: 12.10.2017 (Import)

An Small Leaks Sink Ships ist an sich überhaupt nichts besonders. Auch wenn man beim Stichwort „Portland“ direkt aufhorcht, diese Band ist kein hippes Szene-Ding, sondern besteht aus vier Menschen, die inzwischen seit 11 Jahren zusammen Musik machen und daneben ihre Leben führen – mit allen Höhen und Tiefen, die das Leben mit sich bringen kann. Schwere Auto- und Motorradunfälle und eine Krebsdiagnose warfen die Band für einige Zeit gewaltig aus der Bahn. Seit ihrem letzten Album von vor zwei Jahren sind jedoch wieder alle wohlauf und haben ihre gebündelte kreative Energie in ein neues Album mit dem Titel „Golden Calf“ gesteckt, das nicht nur das beste Album ihrer Karriere ist, sondern ganz nebenbei ein zwischen verschiedenen Genres mäanderndes Meisterwerk.

Es gibt viele Gründe, die „Golden Calf“ zu einem so großartigen Album machen. Viel hat es damit zu tun, dass es sich hier um den Höhepunkt einer langen Entwicklung handelt. Man hört Small Leaks Sink Ships einige Einflüsse an, fühlt sich durch den Gesang ein wenig an Emo, durch die zum Teil außergewöhnliche Rhythmik an Mathrock und Art-Pop erinnert, aber in seiner Gesamtheit klingt „Golden Calf“ nach etwas Eigenem und Neuem. Small Leaks Sink Ships schaffen es, die verschiedenen Versatzstücke, die zahllosen Klänge und Melodien zu kompakten Songs zusammenzuführen, die ab dem ersten Moment eingängig und mitreißend sind und auch nach dem fünfzigsten Durchgang nicht nur nichts von ihrem Reiz und ihrer Faszination verlieren, sondern sich vielmehr zu verselbstständigen beginnen, sich mit dem Gefühlsleben des Hörers verbinden, bis irgendwann alles ineinandergreift und man eine immer persönlicher werdende Beziehung zu diesem Album aufbaut. Das liegt bei all der musikalischen Dichte und dem Einfallsreichtum im Songwriting nicht zuletzt daran, dass Small Leaks Sink Ships einen ganz eigenen Weg gefunden haben, durch ihre Musik Stimmungen und Emotionen zu transportieren, die sich immer tiefer in die eigene Psyche graben.

Es ließe sich bei jedem Song ein eigener Absatz über all die Dinge schreiben, die ihn so gut und außergewöhnlich machen, welche Details besonders bemerkenswert sind, welche Momente man als besonders bewegend empfindet, doch auf diese Entdeckungsreise sollte sich jeder selbst machen. Von der gebündelten Energie des überwältigenden Openers „Creepin'“ bis zum kathartischen Ausbruch des Schlusstracks „Tethered Wires“, der das Album mit einer überraschend positiven Stimmung ausklingen lässt, bewegen sich Small Leaks Sink Ships auf stilistisch verschiedenste Weise zwischen all den Dingen, die sie in den letzten Jahren beschäftigt haben, und mit denen man sich selbst leicht identifizieren kann. Mal klagend, mal wütend, mal resiginierend setzen sich Small Leaks Sink Ships mit ihrem eigenen Innenleben und ihren Gedanken über die moderne Welt auseinander. Wie schnell Menschen in unserer Gesellschaft vereinsamen, weil sie innerlich durch ihre Ängste blockiert sind, weil sie sich in digitalen Scheinwelten verlieren, weil sie immer mehr die Fähigkeit verlieren, wirklich füreinander da zu sein, wenn es ihnen schlecht geht. „Golden Calf“ ist in seiner Gesamtheit traurig und deprimierend, appelliert dabei aber an mehr zwischenmenschliche Wärme und trägt selbst so viel pulsierendes Leben in sich, dass man selbst nicht genug davon bekommen kann.

Kilian Braungart

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Video zu "Dancing Devil"
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