Rezension

Siv Jakobsen

A Temporary Soothing


Highlights: Anywhere Else // Fraud, Failure
Genre: Dream Folk
Sounds Like: Lana Del Rey // Angus & Julia Stone // Ben Howard

VÖ: 21.08.2020

Sind Menschen, die traurige Musik machen, auch grundsätzlich traurig? Müssen KünstlerInnen gar traurig sein, um gute Musik zu machen? Das Narrativ des/der leidenden KünstlerIn zieht sich scheinbar wie ein roter Faden durch die Popmusik. Auch die norwegische Musikerin Siv Jakobsen sah sich mit der vermeintlichen Unvereinbarkeit von fröhlichem Gemüt und trauriger Kunst konfrontiert, nachdem sie 2017 ihr Debüt „The Nordic Mellow“ veröffentlichte. Dass sie selbst „ja eigentlich eine ganz fröhliche Person sei“ und trotzdem so ganz gegensätzliche Musik mache, war in diesen Tagen ein oft gehörter Kommentar, mit dessen Essenz sie sich in der Folge intensiver zu beschäftigen begann. „This album was conceived from this wondering and a building fear that I wouldn't be able to be both happy and a good writer at the same time.” Sie kam schließlich zu dem Ergebnis, dass niemand immer fröhlich oder immer traurig sein kann, dass es das Eine ohne das Andere nicht geben kann, dass Gefühlslagen stets temporär sind. Und so soll ihre Musik wenigstens eins sein: „Temporary Soothing“.

Und das gelingt Siv Jakobson in den 46 Minuten Spielzeit ihres zweiten Albums in der Tat überaus gut. Gleich vom ersten Song an hüllt die Singer-Songwriterin ihre HörerInnen in eine Wolke von verträumten Soundflächen und wohltuender Melancholie. Dass der Sound nicht von ungefähr kommt, zeigt ein Blick auf ihre bisherigen musikalischen WeggefährtInnen: Produzent Chris Bond saß auch schon bei Ben Howard und Nick Mulvey mit am Pult, Toningenieur Zach Hanson arbeitete schon mit Bon Iver, The Tallest Man On Earth und Waxahatchee zusammen und Siv Jakobsen selbst teilte sich in der Vergangenheit auf Tour bereits die Bühne mit Bear's Den, Benjamin Francis Leftwich und Damien Jurado. Die Platte selbst lässt sich irgendwo zwischen Indie-Folk-Größen wie Ben Howard und Angus & Julia Stone einordnen, wird dabei jedoch durchzogen von der mystischen Aura einer Lana Del Rey, was „A Temporary Soothing“ eine ganz eigene Ästhetik verleiht.

Trotz ihres mäandernden Charakters entwickeln Songs wie „Fear The Fear“ oder „Shine“ über ihre Spieldauer eine eigene Dynamik, schwellen an und versinken wieder, mal getragen von Siv Jakobsens markanter Stimme, mal orchestriert und ausarrangiert mit Bläsern und Streichern. Dezent elektronische Samples und zurückhaltende Percussions eröffnen den nötigen Raum, sodass die Vocals ihren verrucht-verträumten Charakter vollends entfalten können, nur um sich kurz darauf wieder zurückzunehmen und sich im Teppich von sphärischen Gitarren ihren Platz zu suchen. Herausstechend sind dabei Songs wie das düster angehauchte „Fraud, Failure“ oder das aus dem Indie-Folk-Einmaleins gestrickte „Anywhere Else“ mit verhallter Akustikgitarre und herzerwärmender Gesangsmelodie. Eine klassische Herbstplatte, könnte man meinen. Denn wann sonst ist grundlos in Melancholie versinken so schön?

Abhilash Arackal

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Siv Jakobsen - Anywhere Else
Siv Jakobsen - A Feeling Felt or a Feeling Made
Siv Jakobsen - Fight Or Flight

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