Rezension

Seth Lakeman

Ballads Of The Broken Few


Highlights: Willow Tree // Fading Sound // Innocent Child
Genre: Folk
Sounds Like: Mumford & Sons // The Avett Brothers // Jon Boden

VÖ: 27.01.2017

Seth Lakeman ist so etwas wie der Posterboy der English-Folk-Szene. Unter einer ganzen Reihe verhältnismäßig junger Künstler und Künstlerinnen, die teils uraltes Liedmaterial neu aufbereiten, hat der 39-Jährige mutmaßlich das meiste Popstar-Potenzial. Selbst der Pressezettel zum neuen Album schwärmt vom Schlafzimmerblick des „blendend aussehenden Folkhelden“ und auch musikalisch versteht es Lakeman, englische Folklore massentauglich fürs neue Jahrtausend zu verpacken – mit ordentlich Wumms. Womit wir bei „Ballad Of The Broken Few“ wären, für das schon nach kurzem Reinhören feststeht: Wer Lakeman für die Energieausbrüche in seinen Folksong-Interpretationen schätzt, wird hier vermutlich enttäuscht.

Auf seinem achten Album probiert der Brite ein paar Neuerungen im Sound aus. Die auffälligste: Das aus zwei Schwestern und einer Cousine bestehende Vokaltrio Wildwood Kin steuert den Backgroundgesang zu zahlreichen Songs bei und ist dabei so staatstragend, dass es selbst auf dem Albumcover Erwähnung findet. Nach einem kurzen Aufjaulen der Geige sind die perfekt harmonierenden Stimmen der Drei auch das Erste, was man im Opener „Willow Tree“ zu hören bekommt. Während Lakeman im Anschluss zu dezentem Schlagwerk die Hauptstimme des Traditionals übernimmt, greifen ihm Wildwood Kin wie ein Motown-Chor immer wieder unter die Arme – und das bei weitem nicht nur in diesem Song, sondern über das gesamte Album.

Das führt mit dazu, dass sich in vielen Songs immer wieder spannende Kombinationen mit Soul- und Blues-Konventionen ergeben, die „Ballads Of The Broken Few“ aus dem reinen English-Folk-Umfeld herauslösen. In „Meet Me In The Twilight“ erinnern Lakeman und seine Mitstreiterinnen beispielsweise nicht zu knapp an den uramerikanischen Roots-Folkrock der Avett Brothers. Auch in den Instrumentalstimmen taucht regelmäßig die ein oder andere Blue Note auf. Die Mischung funktioniert –gerade in Verbindung mit der insgesamt ruhigen, düsteren Grundstimmung des Albums.

„Fading Sound“ beispielsweise ist extrem reduziert, stellt Lakemans Gitarre, seine Stimme und den Backgroundgesang in den Mittelpunkt und nutzt dezente Flötentöne und knorrige Geigenakkorde als dramatisches Mittel, um dem textlich finsteren Song den angemessenen Klang zu verleihen. Songs wie der Titeltrack oder „Innocent Child“ brüten vor sich hin und scheinen einen großen, theatralischen Soundausbruch geradezu herauszufordern – doch Seth Lakeman widersteht der Versuchung. „Ballads Of The Broken Few“ verweigert sich der Erwartungshaltung so immer wieder gekonnt. Es braucht seine Zeit, bis man das begriffen hat. Dann allerdings schälen sich aus den ungewohnten Arrangements immer wieder Highlights heraus, die das Album zu einer von Lakemans spannendsten Unternehmungen machen.

David Albus

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