Rezension
SDP
Die Rache Des Kleinen Mannes
Highlights: Abtörn // Wasserschi Fahr'n // Musikfachchinese // Total Verschlossen // Meine Welt
Genre: Pophop
Sounds Like: Ohrbooten // Clueso // Die Ärzte // Seeed // Rio Reiser // Sido
VÖ: 25.07.2008
Ist schlechte Promotion besser als gar keine? Sollte jemand, der seinen Sinn für Humor vor Ewigkeiten unauffindbar verlegt hat, ein Stonedeafproduction-Album besprechen dürfen? Vor allem, wenn er dazu noch ein Problem mit der typischen Berliner Schnauze hat? Und: Kann ein Album so schlecht sein, dass ein solcher Rezensent teilweise höllischen Spaß dabei hat?
Schlecht ist „Die Rache des kleinen Mannes“ nicht wirklich. Sie nervt streckenweise enorm. Der Holzhammerhumor schmerzt. Beats und Melodien erscheinen vielfach zusammengeklaut aus dem – ebenfalls nicht immer innovativsten – Kanon aus Seeed, Die Fantastischen Vier, Bushido, Sido, Die Ärzte, Dick Brave, Ohrbooten, Clueso, Keimzeit, Rio Reiser, K.I.Z., Boundzound, Sportfreunde Stiller. Einfach grottenübel bleibt das Urteil nur bezüglich der beiden „Übertrieben“-Skits sowie des „Dick Brave trifft Boss Hoss auf der Bonanananza“-Titels „Sie macht’n Drama“.
Darüber hinaus schüttelt sich der Kopf zwar alle paar Augenblicke wie von selbst aufgrund der übertriebenen Reim-, Wortspiel- und Anekdotenwasserfälle der Band-Mitglieder Vincent und Dag, genießt, schmunzelt und lacht angesichts der selbigen aber gleichzeitig lauthals los. Musikalisch und produktionstechnisch steht bei den beiden SDPlern zwar tatsächlich das kreative und vielfältige Klauen, Zitieren (meist heimlich, selten offensichtlich wie Outkast in „So genial“) und Interpretieren anderer Künstler im Mittelpunkt, doch geschieht dies auf so charmante – und überzeugende – Art und Weise, dass leicht darüber hinweggesehen werden kann.
„Die Rache des kleinen Mannes“ ist ein Sommeralbum und will genau das sein. Zudem kommt es als pures großstädtisches Pop-Album daher, irgendwo zwischen dem Dicken B und HH-City, zwischen N-Joy und Fritz und NRJ, zwischen Elbstrand und Wannsee, Kanzleramt und Michel. In diesem Spannungsfeld sollte eigentlich eins sicher sein, was ich jedoch auch schon den Ohrbooten angedichtet hätte, nämlich der sichere Radioerfolg – und damit einhergehend langfristig auch der in den Charts. Zurückhaltender formuliert sollte es zwischen Culcha Candela, den Ärzten, Clueso und den Fantastischen Vier genug Überschneidungen in den Fangemeinden geben, um diesem amüsant zeitvertreibendem Jugendradio-PipPop ein ausreichendes Maß an Aufmerksamkeit zu sichern. Immerhin liefern Vincent und Dag nicht nur mit der Vorabsingle „Wasserschi Fahr’n (auf’m Kurfürstendamm)“ einen veritablen Sommerhit ab. Einen Hit, der möglicherweise in erster Linie für Ballermann und Bildzeitung Reiz hat, der aber in seiner Hinterfotzigkeit eben diesen beiden in den Allerwertesten tritt. Dazu kommt der Rio-Reiser-Gedächtnis-Ohrwurm „Nur noch einen Tag“, der Ohrbooten-vermählen-sich-mit-Seeed-Hit „Ganz oder Gar Nicht“, Pop-Soul-Funk („So genial“, „Zwischen uns“, „Total Verschlossen“), Absurd-Pop („Der Chiwawa von Paris Hilton“, „Die Frau vom Ordnungsamt“), ein Haufen Hip-Punk-Attitüde („Abtörn“, „Wie meine Eltern“, „Goldene Jahre“) und eine Mischung aus all diesen Elementen mit zusätzlichen berlinesken Rapstyles („Meine Welt“). Das ist keine große Kunst, aber leben kann man damit sicherlich ganz gut. Wem das nicht zumindest ein Schmunzeln aufs Gesicht und einen kleinen Ohrwurm ins Gehirn zaubert, dem kann wirklich nur gesagt werden, er solle doch mal den Stock entfernen lassen. Das wiederum ist in keiner Hinsicht ein ernsthaftes Argument. Aber so was sollte im Zusammenhang mit diesem Album auch eher schaden.
Ja, ich lach mich bei SDPs drittem Album streckenweise schlapp, ja, der Popappeal fräst mir die Gehörgänge frei, … aber ich mag ja auch die Ohrbooten. Die Halbwertszeit von „Die Rache des kleinen Mannes“ dürfte gerade einmal für eine Saison reichen, aber die hat es verdient.
Finden
Bye-Bye
Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!