Rezension

Ryan Adams

Easy Tiger


Highlights: Oh My God, Whatever, etc. // Pearls On A String // Halloweenhead // Goodnight Rose
Genre: Country // Singer/Songwriter
Sounds Like: Neil Young // Bright Eyes // Jack Johnson

VÖ: 29.06.2007

Ryan Adams ist sicherlich der personifizierte Albtraum seiner Plattenfirma. Oder besser derer, die immer irgendwelche Infotexte zu seinen neuen Alben schreiben und sich neue, noch nicht bekannte Fakten aus seinem Leben suchen müssen, damit er nicht klingt wie der zum zuletzt erschienenen Album. Schließlich knallt er jetzt mit "Easy Tiger" sein neuntes Werk seit 2000 auf den Markt. Ob nun eben jene Schreiberlinge in den Streik getreten sind? Zumindest stammt der jetzt vorliegende Infotext von keinem geringeren als Stephen King. Aber das soll nur eine Randnotiz bleiben.

Wichtiger ist die Musik des Workaholic aus Jacksonville. Obwohl nicht auf dem Cover genannt, ist Adams' Begleitband The Cardinals nach einer Pause bei der Produktion der letzten Platte "29" wieder an Bord. Sie liefern den Countrysound, der sich wunderbar durch die dreizehn Titel zieht. Los geht es mit "Goodnight Rose", der für einen kurzen Moment in den ersten Takten an "I'll Be There For You" von den Pretenders erinnert, den Titelsong der TV-Serie Friends. Dieser Moment ist schnell vorbei, aber man ist guter Stimmung für knapp 39 Minuten feinster Unterhaltung. Eine kleine Gemeinsamkeit haben die beiden Songs aber dann doch noch. "I will be there" singt Adams. Wir sind es auch und wollen mehr.

Nicht nur "Oh My God, Whatever, Etc." wirkt von der Melodie her wie eine entspannte Strandnummer von Jack Johnson. Der Titel der Scheibe scheint also mehr als gut gewählt. King erzählt in seinem Infotext, wie Adams zu ihm kam. Zum Essen mit einer Freundin sei er verabredet gewesen. Um acht Uhr abends. Adams wollte sofort los, doch sie antwortete nur "Easy, Tiger." Worte, die Adams beeindruckten und die er Cardinals-Gitarristen Neal Casal gleich auf den Anrufbeantworter sprach, mit dem Auftrag sie nie zu vergessen. Nun hat er sie verewigt. Die Worte und das Mädchen.

Das Motto scheint auch Adams Texte eingeholt zu haben. Zwar befasst er sich noch immer mit tragischen Liebesgeschichten und persönlichen Schicksalen, aber es wirkt manchmal gleichgültiger, ab und an auch etwas hoffnungsvoller. Möglicherweise trägt auch seine persönliche Entwicklung dazu bei. Mit Hilfe seiner Freundin entschied er sich im letzten Jahr zu einem Drogenentzug. Adams ist also gereift. Und so tritt er weiter in die Fußstapfen großer Musiker wie Willie Nelson und Neil Young.

Das geschieht durchaus vielseitig. Mal klingt er nach Billy Joel wie im Song "Halloweenhead", mal duettiert er mit Sheryl Crow ("Two"). "Tears Of Gold" ist der perfekteste Countrysong der Platte. So ist "Easy Tiger" eine Sammlung wunderbarer Lieder, deren Sound viele Bilder hervorrufen: Autos und Bistros der 50er-Jahre, die Prärie, die Route 66, den lonesome Cowboy. Langeweile kommt keine auf. Das mag an der Kürze der Lieder und des Albums liegen, aber auch an den vielen verschiedenen Stilen, die gekonnt gemischt werden und trotzdem eine homogene Mischung ergeben. Adams ist ein Ausnahmekünstler, von keiner Veröffentlichung wurde man bislang enttäuscht. Und wer mag daran zweifeln, dass noch einige folgen werden, wenn Adams in "Pearls On A String" singt: "Tomorrow's on its way / And there's always new songs to sing." Zunächst aber ist ein Boxset mit unveröffentlichten Liedern und Liveaufnahmen geplant, das Ende des Jahres erscheinen soll. Irgendwo brütet sicher schon ein Schreiberling über einem Infotext.

Martin Korbach

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