Rezension

Rufus Wainwright

All Days Are Nights: Songs For Lulu


Highlights: Who Are You New York? // The Dream
Genre: Avantgarde-Pop
Sounds Like: Antony and the Johnsons // Baby Dee // Joanna Newsom

VÖ: 30.04.2010

Rufus ist Rufus und wird wohl auch immer Rufus Wainwright bleiben. Da ist es gleich, ob er ein Shakespeare-Sonett vertont oder einen Brief an seine Schwester Martha, in dem er die Krankheit der kürzlich verstorbenen Mutter der beiden thematisiert.

Seine Stücke sind immer irgendwo zwischen Cabaret und Oper, zwischen Kunstlied und Pop angesiedelt. So ist allen ein Gefühl des Déjà-Vu immanent. Zwar reduziert Rufus auf „All Days Are Nights: Songs For Lulu“ die Mittel des Arrangements auf Stimme und eigenes Klavierspiel, doch die Inszenierung unterscheidet sich eher wenig von seinen Großtaten (wie z.B. „Want Two“). Natürlich ist es im Grunde das, was wir an ihm mögen, was wir erwarten. Dennoch verbleibt beim Hören der zwölf Stücke ein fader Nachgeschmack. "Fad" will hier tatsächlich als langweilig, als plätschernd, als kaum Reize auslösend gelesen werden. Die unzweifelhafte Schönheit der Wainwright’schen Lieder reicht nicht (mehr) allein, die Erwartungen zu befriedigen oder die latente Langeweile der allzu bekannten Klangkulisse zu kompensieren.

Ohne Zweifel besitzen auch Rufus' neue Stücke das Potential zu berühren, zu verzaubern, zu beglücken, das Herz und die Seele zu erheben. So übertrieben und kitschig diese Reihung klingen mag, so sehr entspricht sie dem Gefühl, welches Rufus Wainwright nicht nur, aber insbesondere mit den aufstrebenden Klavier- und Gesangsfiguren gen Ende von „Who Are You New York?“ erzeugt. Aber auch diese (latente) emotionale Kraft täuscht nicht darüber hinweg, dass hier vieles affektiert erscheint.

Schon „Sad With What I Have“ verdeutlicht eines der Probleme mit der – von Wainwright offenbar aggressiv bezweckten – Emotionalität der Stücke: Sie wirkt aufgesetzt. Durch die Wahl der Mittel und die Nacktheit der Produktion – Klavier und Stimme und sonst nichts – entsteht ein Eindruck der klanglichen Matschigkeit, einer mangelnden Akzentuierung. Es ist verschwommen. Dies steigert sich sogar noch im sehr persönlichen, die Familie Wainwright thematisierenden „Martha“. In der passenden Stimmung des Hörers wiederum kann „Martha“ zu Tränen rühren. Dieser stimmungsabhängige Gegensatz zwischen akustischer Verzweiflung und den, möglicherweise am besten als handwerkliche Irrelevanz beschriebenen, Mängeln bestimmt das Album. So leidet der Hörer in „True Lovers“ am Leiden des Künstlers und verzweifelt gleichzeitig an Schwammigkeit des Arrangements und Überbetonung der Emotionalität.

Auch die drei Vertonungen von Shakespeare-Sonetten bilden zwiespältige Vergnügen. Überzeugt „Sonnet 20“ in seiner Einfachheit, wird „Sonnet 43“ übertrieben in Szene gesetzt. „Sonnet 10“ und „Zebulon“ erscheinen wie Blaupausen des Wainwright’schen Schaffens. Dagegen setzt er in „The Dream“ oder „Les Feux D'Artifice T'Appellent“ seine Stärken, Eingängigkeit in Verbindung mit künstlerischem Eigensinn, Einfachheit und Expressivität, brillant ein. Allerdings strapaziert Rufus' nasaler, überakzentuierter Gesang bei „Les Feux“ im französischen Vortrag die Ohren schon ungemein. „What Would I Do With A Rose?“ wiederum steht irgendwo zwischen Brillanz und Blaupause. Alles in allem ließe sich das Fazit ziehen, Rufus Wainwright habe – wie andere Künstler vor ihm – mit Dauer der Karriere, die eigenen Markenzeichen im Grunde zu Tode geritten.

Oliver Bothe

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