Rezension
Róisín Murphy
Róisín Machine
Highlights: Simulation // Something More // Incapable
Genre: Pop // Electro-Pop // House
Sounds Like: Moloko // Air // Daft Punk // Soulwax // Little Dragon
VÖ: 25.09.2020
Inmitten des Lockdowns, als sich mancher Pop-Star bemüßigt fühlte, musikalische Videobotschaften aus den eigenen vier Wänden an die Außenwelt zu senden, schaltete auch Róisín Murphy ihre Webcam ein. Doch anstatt mehr oder minder ernst gemeinte Solidaritätsbekundungen loszuwerden, schmiss sie einfach die Diskobeleuchtung an und verwandelte ihr Schlafzimmer in eine funkelnde Bühne, auf der sie sich in ihren extravaganten Outfits räkelte, tanzte und sang als spielte sie ein Festival vor tausenden Menschen. Mit „Róisín Machine“ geht die Party nun weiter. Denn tatsächlich fängt Murphy auf ihrem fünften Album seit dem Ende von Moloko einen Teil der Energie ihrer Live-Performances ein. Das gelingt natürlich „nur“ teilweise, da ein Album als Medium schlichtweg ungeeignet ist, die Exzentrik ihrer Person auch nur im Entferntesten abzubilden.
„This is a simulation“ heißt es da ganz zu Beginn, nachdem theatralische Streicher von einer treibenden Bassline und pulsierenden House-Beats abgelöst wurden. Von hier an gibt Murphy routiniert die Verfechterin von Hedonismus, von dem Streben nach Freiheit im Erleben des ekstatischen Moments. „This is for demonstration, this is an only illusion, this is my only delusion, this is the real of my wildest dream“. „Róisín Machine“ bewegt sich in seinem eigenen, artifiziellen Raum, in dem Murphy die „happy endings“ diktiert und sicher sagen kann: „It’s Murphy’s law, I’m gonna meet you tonight“.
„Róisín Machine“ klingt dabei zeitgenössisch und zeitlos im gleichen Moment. Zu dem klassischen 4-to-the-floor-Beat lässt es sich auch noch in 20 Jahren tanzen. Der Bass geht ins Mark, Synths eröffnen weite Sphären und Gitarren präsentieren sich funky, jedoch meist im Hintergrund. Nicht selten sind Murphys Songs ausufernd, verlieren sich in nicht enden wollenden Schleifen. Auf dem Album erscheint jedoch Alles aus einem Guss, was den ein oder anderen Schnitt, etwa an dem tollen, zuvor aber noch tolleren „Incapable“, erforderte. Die Irin wird so in schickem Licht dezent ausgeleuchtet, was ihrem gutem Geschmack ebenso wie der Produktion ihres langjährigen Freundes DJ Parrot, a.k.a. Crooked Man oder Richard Barratt, zu verdanken ist. Murphy, die aus der Klub-Kultur kommt und sich dort immer zuhause fühlte, wirkt in jedem Moment in höchstem Maße „authentisch“. Es ist zu bewundern, seit wie vielen Jahren ihr das nun scheinbar mühelos gelingt. Für nicht wenige symbolisiert sie eine Pop-Queen, die ihre Krone offiziell jedoch nie erhalten hat.
Denn warum Róisín Murphy bislang nicht den ganz großen Ruhm genießt, ist eigentlich nicht zu verstehen. Wenngleich ihr dieser Status auch nicht gerecht werden würde. „You have to be cheap these days to be a pop star, and I can’t bring myself to do it“, sagte sie jüngst in einem Interview. Zum Glück erhält sie sich also ihre Eigenwilligkeit, ihre unbändige Kreativität oder ihre Freude an wilden Kostümen. So schien sie sich bislang noch auf jeder Etappe ihrer Karriere ihrer Stärken bewusst zu sein und sich dennoch immer wieder offen für Neues zu zeigen. Mit „Róisín Machine“ liefert sie hierfür erneut einen eindrücklichen Beleg.
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