Rezension

Red Hot Chili Peppers

The Getaway


Highlights: The Longest Wave // Dark Necessities // This Tisconderoga
Genre: Funkrock // Crossover // Pop
Sounds Like: Red Hot Chili Peppers

VÖ: 17.06.2016

Wie stellt man diese Sache mit dem berühmten „Zurückmelden“ mit einem neuen Album als Band von Weltformat heutzutage eigentlich am besten an? Fünf Jahre nach „I'm With You“ scheinen sich die Red Hot Chili Peppers für Understatement entschieden zu haben. Zumindest ist der Titeltrack und Opener ihrer elften Studioplatte das absolute Gegenteil des berühmten Knalls, den man sich ja irgendwie instinktiv wünscht: Ein bisschen Beatboxing zum Anfang, dezente Drums, Josh Klinghoffers störrisch klickende Gitarre, ein ganz klein wenig Bass – und ein Anthony Kiedis, der geradezu introvertiert vor sich hin singt. Altersmilde? Wer sich gegen jede Vernunft die jungen Wilden aus „Blood Sugar Sex Magik“-Zeiten zurückgewünscht hat, hört besser gar nicht erst weiter.

Tatsächlich ist „The Getaway“ ein auch für die jüngeren Veröffentlichungen der Kalifornier unerwartet sanftes Album, was spätestens bei der Klavierballade „The Longest Wave“ endgültig alle verstanden haben dürften: Wohlwollend könnte man über Schlagzeuger Chad Smith sagen, er spiele hier besonders songdienlich. Böswillig gesprochen schläft er auf dem Drumhocker ein. Selbst ein Song wie „Sick Love“, der vielversprechend mit funkigen Gitarrenriffs beginnt, zieht sich im Refrain in ein Schneckenhaus aus Klavierklängen und schwebenden Backgroundchören zurück.

Bevor man der Band das aber vorwirft, empfiehlt es sich, noch einmal genauer hinzuhören. Denn mit dem runtergeschraubten Energielevel geht ein erweitertes Gespür für Melodien einher, auf die „The Getaway“ noch mehr als sonst den Fokus legt. So gesehen offenbart „The Longest Wave“ dann plötzlich ganz andere Qualitäten: als clever komponierter Popsong, dem man in seiner Eingängigkeit verfallen kann wie zu besten „Californication“-Zeiten. Dabei bleibt die Band trotz dezenter Neuausrichtung und Produzentenwechsel (statt Rick Rubin saßen diesmal Danger Mouse und Radiohead-Intimus Nigel Godrich am Mischpult) jederzeit als sie selbst erkennbar, was natürlich vor allem an Anthony Kiedis und seiner gewohnt gewöhnungsbedürftigen Nonsenslyrik liegt: Wer sonst würde schon eine Zeile wie „Take me to the lake where we do the avocado/Hallelujah, a desperado“ in einem Song unterbringen? Eben. In „Goodbye Angels“, das sich anderthalb Strophen lang als Ballade tarnt, bekommt zudem Über-Basser Flea reichlich Gelegenheit, seine Daumenqualitäten zu beweisen.

Es wäre aber auch unfair, den Funkrockern den Willen zum Funk oder Rock ganz abzusprechen. Vor allem in der zweiten Albumhälfte kommen auch die zum Zuge, die mit der zurückhaltenden ersten Hälfte ihre Probleme haben. Die Prince-Hommage „Go Robot“ etwa groovt angemessen dringlich und lässig zugleich; „Detroit“ packt sogar ein waschechtes Crossover-Gitarrenriff aus und „This Tisconderoga“ ist dicht dran am Punkrock. Von fünfzigjährigen Millionären gespielter Punkrock natürlich, aber die Alternative wären fünfzigjährige, millionenschwere Berufsjugendliche – und das wünscht man sich von den Chili Peppers doch noch viel weniger als ein etwas nachdenklicheres, aber dennoch gutes Album auf dem Weg zu einem würdevollen Spätwerk.

David Albus

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Red Hot Chili Peppers - "Dark Necessities (Official Video)"

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