Rezension

Razorlight

Up All Night


Highlights: Leave Me Alone // Golden Touch // Stumble & Fall
Genre: Indie-Rock
Sounds Like: The Libertines // The Strokes

VÖ: 11.10.2004

Das ist er also, der neueste heiße Scheiß aus England. Während The Libertines um ihre Existenz und mit Pete Doherty mit seinen Drogenproblemen ringen, beginnt im Mutterland der Musik der Hype um Razorlight. Doch schon bei den Aufnahmen zum Debüt ergeben sich die ersten Schwierigkeiten: Produzent Steve Lillywhite (U2, Talking Heads, Morrissey) würde ja gern, zieht es aber dann doch vor, das neue Album von U2 zu produzieren. Sein Nachfolger John Cornfield würde auch gern, allerdings erkrankt sein Vater, den er in Cornwall pflegen muss. Kurzerhand zieht die Band für die Aufnahmen nach Cornwall. Das Produzenten-Problem ist kaum überwunden, als der Schlagzeuger aussteigt. Nach zwei Tagen ist ein neuer (Andy Burrows) gefunden, die Besetzung steht, und wir können uns endlich der Musik zuwenden.

Bahnbrechend anders ist „Up all night“ nicht und dass der Rock’n’Roll hier neu erfunden wird, lässt sich auch nicht feststellen; aber ein Hype kommt ja nicht von ungefähr und genau so hört sich das Album auch an: du legst die CD ein und hörst ein Klavier, das eine fröhliche Akkordfolge vor sich hin dudelt; dann kommt die Gitarre, und du wirst sie nicht los, bis der letzte Song verklungen ist. Schon der Opener „Leave Me alone“ ist ein kleiner, catchy Ohrwurm, der einen fast schon dazu zwingt, aufstehen und zu tanzen. „Rock’n’Roll lies“ kann da, trotz der klischeeträchtigen Botschaft, nicht mithalten. Songs wie dieser hier sind das einzige Problem der Platte, denn sie sind ersetzbar.

Der Titelsong „Up all night“ überzeugt jedoch wieder mit einem enthusiastischen Refrain. Ob „Dalston“ nun für Pete Doherty geschrieben wurde oder nicht – es rockt. Die Single „Golden Touch“ ist herrlich kitschig und spätestens zu diesem Zeitpunkt weiß man, dass Razorlight nicht nur ein Händchen für laute, wilde Gitarren haben, ein Händchen für Drums, die die Songs nach vorne peitschen, sondern dass sie auch wunderbare Melodien schreiben können, Melodien, die im Gehörgang hängen bleiben. Dazu kreischt, säuselt, schmalzt, stampft und, ja, singt sich Sänger, Frontmann und Mastermind Johnny Borrell durch dieses große Album, das hier und da stark an Libertines, Strokes und Konsorten erinnert. Was der Musik freilich keinen Abbruch tut; mit „Up all night“ legen die vier Musiker aus London einen sehr starken Erstling hin, der nach Schweiß, vollen Konzerthallen und Tanzen klingt – und der hoffen lässt, dass Razorlight trotz aller Vergleiche mit anderen Bands ihren Weg gehen werden. Der erste Schritt, ähem, die erste Etappe ist bereits mit Bravour gemeistert.

Benjamin Weber

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