Rezension

Porcupine Tree

The Incident


Highlights: I Drive The Hearse // The Blind House // Great Expectations
Genre: Progressive Rock
Sounds Like: Blackfield // Opeth // Pink Floyd // Genesis (mittlere Phase)

VÖ: 11.09.2009

Ein Doppelalbum also. Porcupine Tree wagen sich wie viele andere Bands zuvor an die nicht unkritische Aufgabe, ihren Output in Überlänge auf gleichbleibend hohem Niveau aufzuzeichnen. Das neueste Werk „The Incident“ besteht aus 5 Songs, wobei der Titeltrack allein schon schlappe 55 Minuten in Anspruch nimmt. Allerdings unterteilt sich dieser in 14 in sich geschlossene, aber durch klassische Pausen getrennte Abschnitte.

Inhaltlich beschäftigen sich Wilson und Co mit menschlichen Lebensphasen (Geburt, Tod) und möglichen Schicksalsschlägen (Verkehrsunfall, sexueller Missbrauch), die musikalisch mit versponnenen Soundscapes der Anfangsjahre und rifflastigen Passagen der letzten Jahre unterlegt sind. Dies gelingt teilweise durchaus mitreißend, was zum Beispiel „The Blind House“ aufzeigt. Die Strophenparts bestechen durch ätherische Flächensounds, welche stark an das verträumte, in sich gekehrte Mittneunziger-Album „Signify“ erinnern. Ein tobendes, opeth-eskes Riff unterbricht die trügerische Atmosphäre und erklimmt danach den Höhepunkt im ergreifenden, melodieseligen Refrain.

"Time Flies" ist der auf jedem Porcupine-Tree-Album vorhandene Mammuttrack. Das durchschlagskräftige Riff im Mittelteil entschädigt für die Verwirrung, möglicherweise gerade "Dogs" von Pink Floyd zu hören. Bei „Great Expectations“ fühlt man sich zehn Jahre zurückversetzt und kann die Nähe zu psychedelischen Meisterwerken wie „The Sky Moves Sideways“ regelrecht fühlen.
Der eigentliche „Incident“-Song plätschert allerdings etwas zu sacht, fast schon tranceartig vor sich hin. Die Referenz zu „Sleep Together“ ist nicht von der Hand zu weisen, aber das Zweitgenannte spielt letztlich doch in einer anderen Liga.

Bei weiteren Vergleichen zeigt sich immer wieder, wie überragend doch Porcupine Trees letztes Studioalbum „Fear of a Blank Planet“ daherkam. Es wirkte musikalisch in sich geschlossener und bestach durch melodische Finessen und einen unwiderstehlich druckvollen Sound. Nicht umsonst wurde es für einen Grammy zum besten „Surround Sound Album 2007“ nominiert. Dagegen wirkt „The Incident“ immer nur häppchenweise überbordend an künstlerischer Energie und kann nie durchgängig das Level einzelner herausstechender Songs halten. Einen positiven Ausnahmemoment stellt aber etwa die zum Heulen schöne Großtat „I Drive The Hearse“ dar, die sich ohne weiteres neben Klassikern wie „Fade Away“ oder „Stars Die“ einreihen kann. Hier begegnet man wieder der Entrücktheit und der zarten, sphärischen Ausarbeitung, welche vor allem Anfang der Neunziger zentraler Augenmerk der Band waren.
Allerdings fallen danach einfallslose Songs auf der zweiten Seite des Doppelalbums, wie „Flicker“ oder „Remember Me Lover“, qualitativ stark ab und hätten eher als B-Seiten auf den Markt geschmissen werden sollen.

Alles in allem ist „The Incident“ also ein eher unausgegorenes, aber nicht inhomogenes Werk, das musikalisch von einzelnen Glanzmomenten lebt. Immerhin wissen wir nun eins: Steven Wilson kann auch schwächere Songs schreiben.

Marcus Schmanteck

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