Rezension

Pixies

Head Carrier


Highlights: Head Carrier // Classic Masher // Tenement Song
Genre: Indierock
Sounds Like: Black Francis // Hüsker Dü // Ash

VÖ: 30.09.2016

Erinnert sich eigentlich noch jemand an „Indie Cindy“, das Comeback-Album der Pixies? Nein, nicht an den kollektiven Aufschrei und die große Enttäuschung, sondern wirklich an die Musik? Wahrscheinlich nicht, oder? Gut, dann treffen wir doch eine Abmachung: Vergessen wir doch einfach die komplette Geschichte – nicht nur die Lieder, sondern vor allem das Drumherum. Streichen wir die ganze Diskussion um die Demontage des Mythos Pixies. Einverstanden? Gut. Dann kann es jetzt ja losgehen: Mit „Head Carrier“ legen die Pixies das erste richtige Studioalbum seit 1991 vor. Es ist ein Comeback-Album geworden, das zwar nur wenige inbrünstige Jubelschreie hervorbringen wird, mit dem alle Beteiligten aber sehr zufrieden sein können.

Wer nämlich bei der Vorabsingle „Um Chagga Lagga“, auf der alles rumpelt und rattert und quietscht, was geht, und Black Francis sich die Seele aus dem Leib bölkt, schon in der Erinnerung an die guten alten Zeiten schwelgte, wird vom Album in seiner Gesamtheit schnell wieder in die Gegenwart geholt. Und in der gehen die Mitglieder einer der einflussreichsten Indiebands überhaupt stark auf die 50 zu, haben neben ihrer Hauptband in den letzten 20 Jahren an diversen Projekten gearbeitet und sich dabei musikalisch weiterentwickelt. Auf ein zweites „Doolittle“ dürfte also niemand ernsthaft gehofft haben. Stellenweise erinnert „Head Carrier“ sogar mehr an End-90er-Pop à la Ash als an die guten alten Pixies. Aber keine Angst: Erstens ist das überhaupt nichts Schlechtes und zweitens sind alle Elemente, die zu einem guten Pixies-Album gehören, eigentlich auch hier vertreten: Laut und leise, schnell und langsam, wild und psychedelisch, eingängig und durchgeknallt geben sich wie eh und je die Klinke in die Hand.

Der Weggang von Kim Deal hat natürlich ein großes Loch hinterlassen, das noch immer nicht vollständig gestopft werden konnte. Mit Paz Lenchantin scheint man jetzt aber, wenn auch keinen Ersatz, dann immerhin eine würdige Nachfolgerin gefunden zu haben. Denn auch Lenchantin spielt nicht nur Bass, sondern ergänzt sich im Gesang hervorragend mit Black Francis – ob im Wechselgesang auf „Um Chagga Lagga“ oder auch mal ganz alleine, wie in der Kim-Deal-Hommage „All I Think About Now“, deren Anfang sicher nicht nur zufällig sehr stark an „Where Is My Mind“ erinnert.

Was fehlt also zum perfekten Comeback überhaupt? Es sind wohl doch das Alter und all die Bandjahre, die die Beteiligten auf dem Buckel haben: Trotz Songs wie „Baal’s Back“ und „Um Chagga Lagga“ ist „Head Carrier“ doch ein ganzes Stück weniger wild und durchgeknallt, als man es von den alten Pixies gewohnt war. Einen großen Teil ihres Reizes hat ja immer schon die Unvorhersehbarkeit und das vollkommen selbstverständliche Nebeneinander von so unterschiedlichen Songs wie „Broken Face“ und „Gigantic“ ausgemacht. Dazu kommt jetzt noch, dass die Songs alle sehr gut eingespielt und produziert sind, was natürlich vom jahrelang verfeinerten Können der Akteure zeugt, aber andererseits auch ein wenig Charme wegpoliert. Das merkt man vor allem bei den die Platte eröffnenden Liedern „Head Carrier“ und „Classic Masher“, die eigentlich alle bekannten Pixies-Stärken in sich vereinen, denen aber trotzdem noch das gewisse Etwas zu fehlen scheint, um sich wirklich in die Reihe der echten Klassiker einfügen zu dürfen. Und so ist „Head Carrier“ bestimmt nicht das beste Pixies-Album aller Zeiten, aber eine verdammt gute Indierockplatte, die so weit von einer Blamage entfernt ist wie nur irgendwie möglich. Und viel mehr kann man von einem Comeback-Album nach so langer Zeit eigentlich auch nicht erwarten, oder?

Lisa Dücker

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Die erste Single "Um Chagga Lagga" bei Soundcloud

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