Rezension

Patrick Watson

Adventures In Your Own Backyard


Highlights: Into Giants // Blackwind // Strange Crooked Road
Genre: Singer/Songwriter
Sounds Like: Jeff Buckley // Antony & The Johnsons // Tom Waits

VÖ: 27.04.2012

Ein Album für einen Tag wie diesen: Ein verregneter Sonntag, obwohl doch eigentlich schon Mai ist und man in einer perfekten Welt barfuß um den nahen See spazieren könnte. Man kann aber auch einfach die neue Patrick Watson auflegen, mit nackten Füßen und einem Kaffee durch die Wohnung schlurfen oder in der Hängematte am Fenster baumeln und die "Adventures In Your Own Backyard" beobachten. Beide Varianten bestehen den Praxistest mühelos, auch wenn für zweiteres bei diesem Hundswetter die Beobachtungen eher beschränkt spannend sind. Die Platte löst nämlich ein dermaßen feines Kopfkino aus, erhebt den Hörer in Spannungen, Schwingungen, Glücksmomente, beschäftigt ihn derart, dass eigentlich keine Rolle spielt, was gerade da draußen los ist.

All das zeigt schon, dass Patrick Watson und seine Band, Mishka Stein (Bass), Simon Angell (Gitarre) und Schlagzeuger Robbie Kuster in der Entstehung des Albums nicht so viel falsch gemacht haben können: Nachdem die letzten Werke allesamt weitverstreut in Entstehung und Arrangements waren, blieb man nun bewusst in Watsons Appartement in Montreal, um Musik zu machen, welche, so Watson, "die Musik ist, welche man zu Hause anhören wollen würde". Und genau das hat fantastisch geklappt.

"Adventures In Your Own Backyard" ist ein Album für Genießer. Ein Album, dem man Zeit geben muss, es sich ganz anhören muss, denn es kommt vollkommen daher, wie ein Roman, in zwölf Kapitel unterteilt. Oder ein Song in zwölf Akten. In der Luft über seichten Arrangements, schönen Gitarren, Bläsern, Streichern und düdeligen Basslinien zaubert Magier Watson seine Texte heraus. Von der Unvermitteltkeit und Unkonventionalität der Arrangements her erinnert die Musik immer wieder an Tom Waits, nur dass es hier seltener getragen klingt und Watsons Stimme wohlig klar statt wohlig tief und brummig klingt. Mehr nach einem Glas frischer Maibowle als nach Hochprozentigem.

Wenn es einen Song hervorzuheben gibt, so ist es das wunderschöne "Into Giants". Was für ein traumhaftes Stück Musik – exemplarisch auch dafür, dass man dem Album zwar seine Zeit geben sollte, aber dadurch auch belohnt wird: Der Song mag zwar der eingängigste sein, verliert aber dennoch nicht an Anziehungskraft, eher gewinnt auch er sie noch über die Zeit. Das hier ist dann der Song, um barfuß in der Hängematte herumzubalancieren und sich einfach nur Folgendes zu denken: "Ja!" – ein überschwelgendes "Ja" im Sinne von "Das ist es!" Doch Vorsicht ist geboten, denn im grandiosen Finale des Songs wird man automatisch mit Händen und Füßen mittanzen müssen. Die wenigsten schaffen es dabei, in einer Hängematte das Gleichgewicht zu halten. (Daher hat diese Variante des Hörens den Praxistest leider nicht bestanden.) Aber der Ausgang ist trotzdem schön: "Jumping over all the bad times." Und lustig muss das Ganze auch noch ausgesehen haben.

Beeindruckend, wie Watson es schafft, Stimmungen zu indizieren, Gedanken auszulösen, positiv aufzuwühlen. Auch rein instrumental – "Blackwind" z.B. klingt durch mystische Streicher-Arrangements passend zu seinem Titel, dramatisch wird das Ende des Songs, Gitarrenriffs und verquere Schlagzeugrhythmiken brechen die Struktur aus anfangs typisch schönem Watsonsong auf. Musikalisch einfach nur richtig, richtig gut. Hier merkt man, dass Watson die Musik in die Kinderschuhe gesteckt bekommen hat, und seine Mitmusiker auch nicht bloße Bediener ihrer Instrumente sind. "Adventures In Your Own Backyard" steht unter der weisen Erkenntnis, dass weniger oft mehr ist und man, statt die Musik mit allem Möglichem zu füllen, einfach immer das gerade genau Richtige spielen sollte. "Ja!" Dieses Album ist ein Hochgenuß!

Daniel Waldhuber

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