Rezension

Nine Inch Nails

With Teeth


Highlights: The Line Begins To Blur // Beside You In Time // Getting Smaller
Genre: Industrial
Sounds Like: Marilyn Manson // Orgy // Filter

VÖ: 02.05.2005

Kaum jemand lässt sich für reguläre Studioalben so viel Zeit wie die Nine Inch Nails. Sechs Jahre hat es wieder gedauert, bis der Nachfolger zu "The Fragile" im Kasten war. Eine lange Zeit, in der Trent Reznor fast vor die Hunde ging, bevor er endlich den Weg aus dem Drogensumpf gefunden hat. Mit fast 40 Jahren scheint er nun endlich zu sich selbst gefunden zu haben. Schon paradox für einen Mann, der praktisch die ganzen 20 Jahre seiner Musikkarriere mehr oder weniger allein gearbeitet hat. Das ist auch bei "With Teeth" nicht anders, sieht man mal von den prominenten Gastrollen in Form von Dave Grohl und Jerome Dillon an den Drums ab.

Im Gegensatz zu den zerissenen und einem Drogentrip gleichenden Vorgängern "The Downward Spiral" und "The Fragile", lässt Trent Reznor diesmal aber zum ersten Mal sowas wie Fröhlichkeit in den Songs zu. Die scharfe Grenze zum hörerfreundlichen Pop verschwimmt bei "With Teeth" deutlich und belegt somit eindrucksvoll, welch Wandlung der Mann in den letzten Jahren durchgemacht hat. Bereits der erste Song "All The Love In The World" zeigt diese Veränderung wunderbar auf. Bruchstückhafte Beatfragmente münden in einen Dancefloorkracher mit mehrstimmigem Gesang und catchy Gitarren. Auch "The Hand That Feeds" hat man wohl aufgrund seiner chartskompatiblen Eingängigkeit nicht Umsonst als erste Single ausgewählt. Ein weiterer Singleskandidat sicherlich "Every Day Is Exactly The Same", der sofort ins Ohr geht und einen hohen Wiedererkennungswert hat.

So schön diese "Popnummern" sein mögen, so sehr wünscht man sich aber die typischen hirnzerfetzende Nine Inch Nails Nummern herbei, die gleichzeitig Bauch- und Ohrenschmerzen verursachen. Die Befürchtungen, dass "With Teeth" trotz des Titels zahnlos daherkommt, werden aber schnell und schmerzvoll beiseite geräumt. Das polternde "You Know Who You Are?", bei dem man Dave Grohl förmlich vor seinem inneren Auge ausflippen sieht, walzt brutal alles nieder und "Getting Smaller" rockt so treibend nach vorne, wie es zuletzt bei "Head Like A Hole" der Fall war.

Und ein Blumenkind ist Trent Reznor trotz seiner privaten Erfolgserlebnisse auch nicht geworden. "Sunspots" fährt beispielsweise einen so bösen Bass auf, dass er das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das nachfolgende "The Line Begins To Blur" zeigt in außerordentlicher Brillianz, wie ein Song gleichtzeitig wütend und einfühlsam sein kann. Wahrscheinlich das stärkste Stück, welches erst bei der höchstmöglichen Lautstärke seine volle Wirkung entfaltet und einen Gänsehautschauer nach dem Anderen den Rücken herunterjagen lässt. Nicht minder mitreißend der dichte Soundteppich von "Beside You In Time", der sich immer weiter steigert, bis er urplötzlich in ein trommelfellfressendes Synthiegewitter explodiert. Als Abschluss dann die traurige Ballade "Right Were It Belongs". Nur von einer Pianofigur und einer typischen NIN Klangkollage getragen und vielleicht gerade deswegen so bewegend, dass unweigerlich Assoziationen zu "Hurt" entstehen.

Mag man zuerst noch etwas schockiert sein, dass das Alternative- Aushängeschild Nine Inch Nails sich offenbar den Massen zu öffnen versucht, so erkennt man doch recht schnell, dass es nur so weitergehen konnte, um den Menschen Trent Reznor nicht zu zerstören und die Musik einen weiteren Schritt voranzutreiben. Besser konnte das gar nicht geschehen, als auf "With Teeth" zu hören ist und die Spannung, wie es wohl weitergehen wird ist jetzt schon riesengroß. Bleibt nur zu hoffen, dass man uns nicht wieder sechs Jahre warten lässt.

Benjamin Köhler

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