Rezension

Nick Cave & The Bad Seeds

Ghosteen


Highlights: Hollywood // Ghosteen
Genre: Melancholischer Ambientpop
Sounds Like: Leonard Cohen // Tom Waits // Gravenhurst // The Antlers // Wovenhand // The National

VÖ: 04.10.2019

Mitten im Prozess des damaligen Albums „Skeleton Tree“ stellte eine große Tragödie vor drei Jahren das Leben von Nick Cave auf den Kopf. Einer seiner Söhne kam ums Leben. Die künstlerische Verarbeitung dieses Schmerzes wurde zum Motto dieser sehr zurückgenommenen, düsteren Platte. In der Zeit danach gab Cave zwar bei den Auftritten mit den Bad Seeds gewohnt den lärmenden Prediger, suchte aber auch nach Mitteln, den Schmerz zu verarbeiten. Eines davon ist der „Blog“ https://www.theredhandfiles.com/, bei dem er seine Gedanken teilt und Fragen beantwortet. Eine dieser Fragen war Ende 2019: „When Can We Expect A New Album?“. Die Antwort: Nächste Woche. Dazu das Cover: Eine möglicherweise verkitschte Darstellung des Paradieses.

„Ghosteen“ heißt nun Studioalbum Nummer 17 der Nick Cave And The Bad Seeds. 70 Minuten neues Material, aufgeteilt in zwei Hälften. Die erste besteht aus acht Stücken und zieht sich über 38 Minuten. Es ist die Fortsetzung des Weges, den „Skeleton Tree“ bereits andeutete, allerdings noch eindrücklicher, noch emotionaler, noch mehr mit Schwere aufgeladen. Caves Stimme ist der Fixpunkt, die Bad Seeds um ihn herum, allen voran Warren Ellis schaffen die Atmosphäre. Cave jammert und klagt sich durch dieses Werk, bis hin zu Momenten, in denen seine hochgeschraubte Stimme sich nahezu überschlägt. Einzelne Klavieranschläge, ansonsten überwiegt Synthesizergewaber. Die Gitarren? Abgehängt. Natürlich ist dies Musik, die einer ganz besonderen Atmosphäre bedarf. Spricht einen dies gerade nicht an, mag dieses Album kaum zu ertragen sein ob der Last, die transportiert wird, obgleich, etwa in „Ghosteen Speaks“, immer etwas Hoffnung auf Erlösung mitschwingt.

Daran ändert auch der zweite Teil nichts. Dieser besteht im Grunde nur aus zwei langen Stücken, welche von „Fireflies“ zusammengehalten werden. „Fireflies“ war als Gedicht der erste Eintrag des Blogs und wird hier als Spoken-Word-Stück mit spärlicher Untermalung vorgetragen. In „Ghosteen“ und „Hollywood“, beide deutlich über der Zehn-Minuten-Marke, nimmt sich Cave alle Zeit der Welt. Der Titeltrack etwa wabert erst einmal über vier Minuten vor sich hin, ehe Cave zu einer elegischen „This World Is Beautiful“-Zeile ansetzt und im Folgenden seine Geschichte zu einem ihn begleitenden „Ghosteen“ erzählt. Den Abschluss bietet „Hollywood“ auf, welches auf einer unruhigen Basslinie tanzt und Caves Stimme zunächst klar und fest, später zerbrochen und hoch „I’m Just Waiting For My Time/ I’m Just Waiting For Peace To Come“ klagen lässt. Trotz des düsteren Textes schleicht sich bedingt durch die Instrumentalisierung und Caves stimmliche Variation ein Gefühl der puren Schönheit durch diesen Titel, welche das gesamte „Ghosteen“ sogar noch überstrahlt.

Klaus Porst

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