Rezension

Next Stop: Horizon

The Grand Still


Highlights: The Waltz // When We Get There We Will Know // A Fall Within A Fall
Genre: Indie-Pop // Folk // Jazz
Sounds Like: Get Well Soon // Tom Waits // Arcade Fire

VÖ: 31.03.2017

Seit 2011 werkeln Next Stop: Horizon beständig an einem Sound, der den ironischen Titel ihres Debütalbums „We Know Exactly Where We Are Going“ möglichst effektiv Lügen straft. Was die beiden Göteborger Jenny Roos und Per Hagström damals zusammenrührten, war zu gleichen Teilen jazziger Pop, Kurt Weill'sches Vaudeville und warmer Indie-Folk und überraschte immer wieder mit kreativen Einfällen. Die angesagte genaue Vorstellung vom Ziel der musikalischen Reise wurde dabei dankenswerterweise immer wieder zugunsten der bloßen Lust am Experiment verworfen. Der Nachfolger „The Harbour, My Home“ ging 2014 dann als direkte Fortsetzung und Verfeinerung durch, gönnte sich etwas mehr Struktur, hielt sich im Rückgriff auf ein reichhaltiges Arsenal akustischer Instrumente aber noch weniger zurück.

Mit dem dritten Album „The Grand Still“ bleiben Next Stop: Horizon unberechenbar und öffnen ihren Sound weiter als je zuvor elektronischen Einflüssen. Analoge Synthesizer und Drumcomputer sind nicht länger nur schmückendes Beiwerk, sondern regelmäßig das Fundament der Songs des Duos. „When We Get There We Will Know“ tuckert beispielsweise mit Krautrock-Beat und Vocoder entspannt die Kraftwerk'sche Autobahn entlang. Der Opener „Everyone's Earthquake“ beginnt zwar mit dezenten Crunch-Gitarren und Glockenspiel, holt aber bereits nach wenigen Sekunden prozessierte Handclaps und pfeifende Electro-Leads zur Hilfe. „Where Are We Heading Baby“ könnte dank schillernder Synth-Sounds gleich direkt aus den Achtzigern stammen. Gelegentlich ist da durchaus Skepsis angebracht. In letzterem Song kratzen Next Stop: Horizon schon stark an der Grenze zum Kitsch und riskieren, ihre Eigenständigkeit irgendwo zwischen Prince-Hommage und George Michael hintenanzustellen.

Zum Glück vollziehen Roos und Hagström aber keine abrupte 180-Grad-Wende, sondern schreiben auch weiterhin Songs wie „A Fall Within A Fall“ oder „The Waltz“, die in ihren Grundzügen von dem leben, was den Sound von Next Stop: Horizon seit dem Debüt prägt: akustische Instrumente, eine an Tom Waits erinnernde Rumpeligkeit und der charakteristische männlich-weibliche Doppelgesang. „The Grand Still“ ist so in seiner Gesamtheit ein Album auf der Kippe: Die Richtung, in die sich das Projekt als nächstes entwickeln könnte, bleibt offen. Die Zeit bis zur nächsten Platte können Fans je nach Geschmack also damit verbringen, sich entweder auf die Songs im gewohnten Stil zu stürzen oder sich mit der elektronischeren Neuausrichtung anzufreunden. Einen Königsweg gibt es ohnehin nicht: Wohin sie mit ihrem Sound genau wollen, wissen Next Stop: Horizon offensichtlich immer noch nicht. Gut so.

David Albus

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