Rezension

Nervus

Tough Crowd


Highlights: They Don´t // Engulf You // Fake
Genre: Indie-Punk
Sounds Like: PUP // Milk Teeth // Muncie Girls

VÖ: 27.09.2019

Die vier Indie-Punker:innen von Nervus üben auf ihrem dritten Album ordentlich Kritik an den bestehenden Verhältnissen, ohne dabei vor lauter Weltschmerz weder vor noch zurück zu wissen. Und auch wenn der Titel es vermuten ließe, auf eine „Tough Crowd“ sollten sie mit dieser Platte trotz tough Topics nicht stoßen.

Sängerin und Gitarristin Em Foster bezeichnete das neue Release selbst als „big album“. Wo sich der Vorgänger „Everything Dies“ nicht ganz in die Tiefe traue und noch an der Tür klopfe, stolziert „Tough Crowd“ nun erhobenen Hauptes über die Schwelle und prangert in seinen zehn Songs so einiges an. Eines ist dabei klar: Es geht um´s Eingemachte. Als dritter Track beginnt „They Don´t“ so beispielsweise zwar mit einem leicht verträumten Klavierintro, kommt dann allerdings mit Gitarreneinsatz schnell zum Punkt: Dass die Polizei in Deutschland (wenn überhaupt) nicht für alle auf die gleiche Weise Freundin und Helferin ist, zeigen unter anderem aktuelle Studien zu rechtswidrigen Übergriffen durch Polizist:innen im Amt. Wie Nervus skandieren und skandalisieren, sieht die Lage – vor allem für marginalisierte Teile der Bevölkerung – auch in Großbritannen ähnlich aus: „You tell me I’m lucky // and I know what that means // the way I speak and colour of my skin // means you’ll spare me the brutality“.

So werden auch in „No Nations“ gewaltvolle Mechanismen der Ausgrenzung thematisiert, während es in „Where´d You Go“ um die ökologische Verwüstung des Planeten geht. Ganz schön harter Tobak also. Nichtsdestotrotz schaffen es die vier Musiker:innen aus Watford auf verblüffende Weise zuversichtlich zu bleiben. Wenn „We won´t give up and we won´t stop singing ´til the walls come down“ durch die Lautsprecher schallt, bahnt sich ein Hoffnungsschimmer den Weg frei zu den Hörer:innen und steckt an.

Nervus zeigen mit dieser Platte ganz fantastisch, dass mensch wütend, hoffnungsvoll, überfordert und kämpferisch zugleich sein kann. Sie schaffen dabei einen nicht allzu simplen Spagat: Sie müssen sich trotz ernster Inhalte und Songs selbst nicht immer allzu ernst nehmen. Ob dies das Erfolgsrezept dafür sein könnte in einer manchmal heillos wirkenden Welt nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren?

Alles in allem verleitet „Tough Crowd“ hin und wieder dazu, die Platte etwas besser finden zu wollen, als die musikalische Substanz es eigentlich hergibt. Doch in Zeiten der permanenten musikalischen Neuerfindungen ist es auch wichtig, einfach mal wieder gute politische Statements im Indie-Punk zu hören, die nicht unmittelbar in eine Verzweiflung über die Welt führen.

Nicole Dannheisig

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