Rezension

Mewithoutyou

Pale Horses


Highlights: Watermelon Ascot // Dorothy // Magic Lantern Days
Genre: Postcore // Alternative Rock
Sounds Like: Brand New // Colour Revolt // Thrice // Cursive

VÖ: 24.07.2015

Intertextualität ist überall. Kein Autor schreibt, ohne vorher einmal etwas Anderes gelesen zu haben, aus dem er Plotpunkte oder literarische Motive übernimmt oder im besten Fall gleich direkt zitiert. In der Musik verhält es sich kaum anders. Nur wenige Bands erschaffen jedoch ganze Welten voller Zitate, so wie es MeWithoutYou und Aaron Weiss auf „Pale Horses“ tun – dunkle, apokalyptische Welten.

Verweise auf das „Pale Horse“, also das fahle Pferd des vierten Reiters der biblischen Apokalypse, durchziehen das Album ebenso wie (sinngemäße) Zitate von Joyce bis Baudrillard, von Dostojewsky bis Bukowski – und natürlich immer wieder aus dem Buch der Bücher, aus Geschichten und Gleichnissen von Abraham, Noah und Eli. Gemein ist all diesen Vorbildern, die Aaron Weiss mal in wirren Bewusstseinsströmen, mal in klar erkennbaren Narrativen verarbeitet, eines: Sie drehen sich unentwegt um den Tod, um dessen tiefere Bedeutung und die Löcher, die er sprengt.

Und so eindrignlich der Inhalt von Aaron Weiss' Texten ist, so intensiv ist auch sein Vortrag, der zwischen kathartischen Schreien und sanftem Sprechgesang oszilliert. In dieser Beziehung sowie dank ihres mal kratzigen („Watermelon Ascot“), mal fast komplett in den Hintergrund tretenden („Rainbow Signs“) Alternativerock erinnern MeWithoutYou mit „Pale Horses“ mehr denn je an Bands wie Colour Revolt oder Brand New und vor allem deren Meilenstein „The God And The Devil Are Raging Inside Me“ – eben an Bands, die alte Klassifizierungen wie „Emorock“ lange hinter sich gelassen haben. So transportiert „Dorothy“ in knapp 100 Sekunden mehr Gefühl als andere Bands auf ganzen Alben und wer von dem mit sanften Trompeten unterlegten „Magic Lantern Days“ nicht komplett in seinen Bann gezogen wird, der muss irgendein Stück Metall da haben, wo sein Herz hingehört.

So ist „Pale Horses“ nicht nur eines der besten (Rock-)Alben, die das Jahr 2015 bislang hervorgebracht hat – es ist ein bedrückendes Meisterwerk eines unheimlich talentierten Literaten. „Pale Horses“ ist bereits das sechste Album von MeWithoutYou – die Zahl des Satans, um im Kosmos der Bibel zu bleiben. Irgendwie passend – und bei einem Texter wie Aaron Weiss vielleicht nicht mal ein Zufall.

Jan Martens

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