Rezension

Marissa Nadler

Song 3: Bird On The Water


Highlights: Silvia // Feathers // Dying Breed
Genre: Folk
Sounds Like: Cat Power // Joanna Newsom // Leonard Cohen

VÖ: 23.03.2007

An den Anfang sei ein – verfälschtes – Zitat des Kollegen Köhler gestellt: „Auch [sie] wird unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit ihr Zelt aufschlagen. Vielleicht ist aber gerade das besser so und sie bleibt unsere kleine Entdeckung, die sich in keine Schublade stecken lässt und ihr eigenes Ding durchzieht.“ Er schrieb dies nicht über Marissa Nadler, sondern über Rose Kemp, doch hier, wie dort, bleibt die Wahrheit erhalten.

Zwar ist „Songs III: Bird on the Water“ nicht Marissa Nadlers Debüt, sondern, wie der Name schon andeutet, ihr drittes Album. Doch beweist dies nur, wie sehr sie bisher „unter dem Radar“ stattfand. Für ihren dritten Longplayer hat sie eine neue Heimat gesucht und mit Peacefrog gefunden. Einem Label, das nicht unbedingt jedem ein Begriff sein - aber zumindest ein „Aha“ entlocken sollte, erschien dort doch ebenfalls José Gonzales „Veneer“.

Musikalisch bewegt sich Nadlers Musik zwischen zwei nahe liegenden Polen, melodisch und stimmlich liegt dies im Bereich einer Chan Marshall, alias Cat Power, stimmlich – ja, der Widerspruch ist beabsichtigt – und von Seiten der Arrangements, sehen wir hier eine Schwester im Geiste, der Erschafferin des am schwersten zu beschreibenden Albums des vergangenen Jahres, Joanna Newsoms „Ys“.

Schon am Zitieren, schadet es nicht, direkt anzuführen, was die Amerikaner von Pitchforkmedia zum Debüt namens „Ballads of Living and Dying“ zu sagen hatten, bzw. zur Verwendung des Wortes Ballade im Titel: „…früher bezeichnete das Wort [Ballade] eine spezifischere, kodierte Form des Verses. Bevor die Mehrheit lesen konnte, war eine Ballade ein dramatisches (häufig tragisches) erzählendes Gedicht, das in etwa wie eine mündliche Zeitung funktionierte, einfach aufgebaut mit wiederkehrendem Reimen, so dass es einfach erinnert und wiederholt werden konnte. Und auf ihrem fesselnden Debüt-Album…, trägt Marissa Nadler ihren kleinen Teil dazu bei, die Balladensingerei zu ihrer lebendigen und illustren Vergangenheit zurückzuführen.“ An dieser Einschätzung hat sich bei den amerikanischen Kollegen beim zweiten Album „The Saga of Mayflower May“ nichts geändert, und im Anhören von „Songs III …“ lässt sich diese Einschätzung nur bestätigen. Ihre eigenen Songs – und auch ihre Coverversionen, wie Leonard Cohens hier vertretenes „Famous Blue Raincoat“ – erzählen Geschichten, die nicht selten tragisch enden oder ein solches Ausgehen zumindest implizieren.

Auf „Songs III…“ mag ihr viel gerühmtes Gitarrenspiel nicht mehr so überwältigend zum Ausdruck kommen, wie auf den ersten Alben, steht ihr doch eine Backing-Band mit allem, was das Herz begehrt, von Synthesizer über Mandoline bis Cello, zur Seite. Weiterhin beeindruckt aber das Gespür für Arrangements. Immer steht die Stimme – ein glockenklarer Sopran – im Mittelpunkt. Nadler könnte absoluten Quatsch singen, doch selbst dieser würde verzaubern. Die Stimme setzt sich über jede der durchaus vielseitigen Instrumentierungen durch und findet den Weg in Gehirn und Herz.

Die Musik spiegelt die Folkballade nicht nur in ihrer traditionellen englischen Form wieder, sondern nährt sich genauso aus dem – artverwandten, aber parallel entwickelten – amerikanischen Songwritertum. Nadler selbst nennt im Gespräch mit dem Wire Americana, Blues und Country & Western und stellt sich so in die Nachfolge solcher Künstler wie Joni Mitchell und Bob Dylan. Als zusätzlichen – wenig durchklingenden – Einfluss, erwähnt sie zudem ost-europäische Folklore. Begründet sieht sie letzteres mit ihrem Aufwachsen in hebräischer Liedkultur.

Anna Ternheim, Malcolm Middleton, A Hawk and a Hacksaw, Rose Kemp, Chris Garneau und jetzt Marissa Nadler. Zahlreiche gute bis großartige Alben von Künstlern, die im weitesten Sinne einem Folk-Kontext zuzuordnen sind, erscheinen in diesen immer noch frühen Wochen des Jahres 2007. Marissa Nadlers „Songs III: Bird on the Water“ gehört zu denen, die man nicht verpassen sollte.

Oliver Bothe

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