Rezension

Lower Dens

Nootropics


Highlights: Brains // Lion In Winter Pt. 2 // In The End Is The Beginning
Genre: Dream-Pop // Synthie-Pop // Dark-Wave
Sounds Like: Beach House // Bear In Heaven // Portishead // Cold Cave

VÖ: 27.04.2012

In den vergangenen Jahren hat sie Touren von Devandra Banhart über Bear In Heaven bis hin zu Deerhunter begleitet, legte 2005 und 2007 recht beachtliche Solo-Alben vor, ehe sie mit den Lower Dens und deren Debüt-Album „Twin-Hand Movement“ 2010 einige Jahresbestenlisten säumte: Jana Hunter. Auf den Namen sei an dieser Stelle deshalb hingewiesen, da Hunter durchaus als kreative Ader der Lower Dens gelten kann und wohl auch keine Frage danach gestellt werden muss, wer in dieser Band die Hosen an hat. Trotz aller beachtlicher Vorzeichen kann letztendlich festgehalten werden, dass diese Band samt ihrer talentierten Frontfrau bis dato eher als unscheinbare Randnotiz in einschlägigen Ressorts der Musikpresse auftauchte und sich wie eine graue Maus einreihte in eine halbernstlich gemeinte Hommage an den Shoegaze vergangener Tage. Zumindest bis jetzt…

Nootropics (ausgesprochen: no-eh-tro-pics), das immerhin zweite Werk der Lower Dens, wagt einen ambitionierten Sprung in Richtung tiefgründiger, bisweilen philosophischer Visionen einer unterkühlten, minimalistischen und anorganischen Popmusik. „The record as a whole begs for an assessment of all the flaws inherent in our existence, and to imagine a better, more suitable, logical for humanity to live“, sinniert Hunter über das Album. Der Gedanke des Humanismus lebt hier auf, ebenso die Idee des Transhumanismus, also der kognitiven und geistigen Leistungssteigerung mit Hilfe der Technik und natürlich Drogen. Ein wenig dick aufgetragen ist das Ganze schon, aber Gott sei Dank ist es überwiegend die Musik selbst, welche auf tiefgründige Weise telepathisch macht. Denn Nootropics macht einen zum stillen Beobachter, der auch noch das kleinste Detail wahrnimmt.

Zu metronomischem Schlagzeug-Spiel gelten Zeilen wie "Do you believe, no one is waiting, brains without names" der Faszination für künstliche Intelligenz und seelenloser Existenz. Die Faszination des Hörers dagegen gilt der Art und Weise, eine nicht vor Experimenten zurückschreckende, sieben minütige Traumwelt erleben zu dürfen, welche von diesem Song ausgeht. Man fühlt sich an Kraftwerks „Mensch-Maschine“ erinnert und an „Roboter“, welche mechanisch ihrem Handwerk folgen, aber genau das macht einen wichtigen Teil hier aus.

Zum anderen sind es analoge Synthesizer und Keyboards, welche in einer Manier, wie sie bereits die Franzosen von Air präsentierten, futuristisch und antik zugleich sind und dennoch eingängig wie in „Lion in Winter Pt. 2“ beinahe schon wieder in den 80ern beheimatet sein könnten. Eingängiges und improvisationsloses E-Gitarrenspiel hat zwar immer noch einen gewissen Stellenwert, jedoch fügen sie sich eher dem sphärischen Ganzen.

Bis auf einige Ausnahmen wie das etwas stereotype „Propagation“ klingen die Lower Dens nicht wie irgendeine Dream-Pop/Shoegaze-Band, sondern Hunter klingt zunehmend wie eine zweite Beth Gibbons. Es ist Pop, weiterhin. Aber spätestens mit dem endlosen, beinahe unverständlichen „In The End Is The Beginning“ zeigen die Lower Dens, dass sie uns gekonnt auch mehr zumuten wollen und auch können.

Achim Schlachter

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