Rezension

Love A

Eigentlich


Highlights: Ramones // Nachbarn // Uhren // Schafe/Wölfe
Genre: Punk // NDW // Indie-Rock
Sounds Like: Trend // Fehlfarben // Turbostaat

VÖ: 14.10.2011

Den ganzen Tag über Kettcar hören und die Intro im Abo haben? Also das geht nun wirklich nicht. Wer solche Nachbarn hat, der hat's natürlich schwer. Wie nur reagieren? Love A raten zum Anzünden oder Selbstmord. Zum Glück nur im Lied. Verbrannte Erde hinterlassen sie dennoch. Schließlich dürften diese Worte dem ambitionierten Indie-Rocker gar nicht gefallen und ihn dazu verleiten, gleich von Anfang an mit der Band zu brechen. Das sollte er nicht tun. Denn ihm könnte die Scheibe des Quintetts aus Trier durchaus gefallen.

Love A haben das Potenzial zur Band, die ihre Fans aus unterschiedlichsten Fankreisen rekrutiert, die eigentlich nichts miteinander eint. Musikalisch reicht das von schrammeligem Punk-Rock bis zum elektro-infizierten Mid-Tempo-Indie-Rock. Vor allem die tolle Gitarrenarbeit beeindruckt. Dazu ist das Ganze auch noch tanzbar und garniert mit eingängigen Refrains. Die Mainzer Trend scheinen da immer wieder durch – nicht nur wegen des Gesangs, auch wenn das hier deutlich variabler und weniger auf die zwölf ist.

Letzteres gilt textlich nur bedingt. Love A können – wenn sie wollen – ordentliche Tiefschläge verteilen. Alleine „Ramones“ trieft nur so davon. Auf Hässlichkeit der Herzen mancher Menschen wird hier getextet: „Ihr baut Swimming Pools für eure Brut, doch die ertrinkt da viel zu selten drin.“ Dem Nachjagen von jedem Trend wird das Lied „Individuell“ gewidmet: „Gut gekleidet, Puls der Zeit, die Taschen voller Lifestylescheiß.“ Auch in „Hüpfburg“ wird gepoltert. Genauer über einen Stammtisch, der nach Pisse stinkt, wobei es eigentlich darum geht, sich um seinen Planeten zu kümmern. Doch Love A schlagen den öffnenden Bogen, raus aus der Wut-getränkten Punk-Attitüde. Textlicher Tiefgang statt platte Parolen. Nachdenklich erklärt man in „Säge“ beispielsweise Sympathie mit dem Sonderling, der den Anti-Knigge zur politischen und sozialen Korrektheit verkörpert. „Uhren“ beschäftigt sich mit all den Versäumnissen im Leben. Hätte, wäre, wenn…: „Das ist der Krieg der Uhren gegen die Lebensqualität. Lass alles fallen, alles stehen, komm wir spielen Saboteur.“ Grandios auch die Schlusspunkte der Platte. Da ist zum einen das Thema „Angst“ und die Gesellschaftsbetrachtung „Schafe/Wölfe“, in dem Love A doch noch ein Anflug von Plattheit überkommt: „Und der eine trinkt Champagner und der andere nippt am Bier“. Es ist die absolute Ausnahme und somit auch wieder erfrischend.

Dass nicht jeder Text vollkommen zu überzeugen weiß, ist nicht weiter schlimm. „Chefkoch“ ist zwar nett, doch nicht mehr als eine Beschreibung des harten Alltags eines Azubis in der Küche – wobei man selbst hier eine Metapher konstruieren könnte, welche die Unterdrückung des kleinen Mannes beleuchtet. Im Zweifelsfall legt man es so aus, wie es einem passt. Etwas irritierend wird es mit „Freibad“. Offenbar wird hier die Pubertät verarbeitet, denn es wird Susi Neumann abgecheckt und dem Bademeister der Mittelfinger gezeigt – „Hose runter – Freibad“. Gut, für 16jährige ist das ein tolles Thema, aber es ist nicht gerade das, was man angesichts des sonstigen textlichen Kontextes auf „Eigentlich“ erwartet hätte. Aber vielleicht auch gerade deswegen ist es lustig und auflockernd.

Insgesamt heißt es für „Eigentlich“ Daumen hoch, das sich frisch, stimmig und knackig präsentiert. Die Hit-Dichte ist immens. Kleine Lebensweisheiten sorgen für Tiefe und Sinn. Verdammt gut für ein Erstlingswerk. Jetzt bleibt nur noch eins zu tun: Ab aufs Konzert. Natürlich im Kettcar-T-Shirt. Die ganz Mutigen nehmen noch eine Intro mit und lassen sich das von der Band signieren. Mal sehen, wie ernst die das mit dem Anzünden wirklich meinen.

Joachim Frommherz

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