Rezension

Long Distance Calling

Avoid The Light


Highlights: Black Paper Planes // I Know You, Stanley Milgram!
Genre: Post-Rock // Instrumental-Rock // Alternative-Rock
Sounds Like: Pelican // Russian Circles // pg.lost

VÖ: 24.04.2009

Fangen wir mal nicht mit dem offensichtlichen Scherzen über Postrockbands in Zusammenhang mit sprießenden Pilzen oder Sand am Meer an. Sehen wir es lieber so: Postrock ist das globalisierteste Genre überhaupt. Die Szene ist riesig und international, über die Genregrenzen weiß zum Glück eh keiner Bescheid und ob nun sächselnde Dresdner oder anglophobe Japaner sich an epischen Songkonstrukten versuchen: die lingua franca des Postrock - nämlich „Schnauze halten“ - beherrscht jeder. Der Kuchen ist groß und erst neulich hat die deutsche Presse SMDNT den Tortenheber in die Hand gedrückt und sie an die Front geschickt. Ohne markante Facetten gibt’s dort aber natürlich nichts zu holen - und genauso wie SMDNT bringen auch Long Distance Calling genug Eigenständigkeit mit, um nicht von Amnesie ausradiert zu werden.

Dies gelingt dem münsteraner Quartett, indem es sich eine Sache glaskar ins Bewusstsein ruft: das Wort Postrock hat zwei Silben. Und es darf durchaus mal die zweite betont werden. Heißt konkret: Spannungsbögen ziehen sich nicht über die volle Songzeit von zehn Minuten und Songs bauen sich nicht in Zeitlupe auf. „Avoid The Light“ zeigt eine Band, die gern bereit ist, nach drei Minuten loszulassen, um mit frischen Impulsen ihre kompositorisch gut durchdachten Songs in spannendere Richtungen zu leiten. Dass zudem mittendrin schwere Riffs brummen und die Doublebass aus dem Nichts losdrischt, gibt auf der Dynamikskala sogar noch Bonuspunkte.

Detailverliebt und spielfreudig wahrt die Band stets die Schwere von Bands wie Pelican oder Isis und folgt ihrem Hang zu rollender Rhythmik. Zum Abdriften verleitende Freiräume gibt es nicht, die omnipräsente Leine zum Mutterschiff bleibt stets der Groove. Produziert hat's natürlich der Ebelhäuser - der ein oder andere Gitarrensound ist da schon ein Wink mit dem Zaunpfahl. Als Gastvokalist veredelt Jonas Renkse von Katatonia gegen Ende mit sphärischem, fast mystischem Gesang „The Nearing Grave“ - entsprechende Effekte wecken da fast ein wenig fade Assoziationen an Creed oder Theory Of A Deadman. Wenn auch sicher kein Geniestreich, dennoch ein wohl geratenes Experiment.

Nach 55 Minuten endet „Avoid The Light“ auf dem „Sundown Highway“ mit einem versöhnlichen Akustikoutro anstatt genretypisch mit orchestralem Größenwahn noch einmal die Dezibelmesser in übertriebene Höhen schießen zu lassen. Gerade so geht: Postrock mit Wumms. Wenn Russian Circles wieder mal hierzulande touren, ist „Avoid The Light“ eine aussagekräftige Bewerbung für deren Support-Slot. Mindestens. Und bei aller Globalisierung: Dankesschreiben bitte direkt nach Münster.

Gordon Barnard

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