Rezension

Leonard Cohen

Old Ideas


Highlights: Darkness // Come Healing // Going Home
Genre: Singer/Songwriter // Blues
Sounds Like: Tom Waits // Nick Cave // Joni Mitchell

VÖ: 27.01.2012

Wer ein dreistündiges Konzert mit insgesamt drei aneinander gereihten Zugaben im Alter von 77 Jahren noch in so erhabener Weise durchsteht, oder besser gesagt zelebriert, hat der Musikwelt noch einiges zu geben. Nach dem beseelten Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle im Oktober 2010 war man regelrecht fassungslos, wie dieser alte Herr sein Publikum noch so in seinen Bann ziehen kann. Und nun erscheint also sein neues Werk nach achtjähriger Album-Abstinenz. Sicherlich wird er dunkle Gefilde nie mehr so erschreckend tief schürend bearbeiten wie auf seinem Opus Magnum „Songs Of Love And Hate“. Aber mein Gott, vielleicht ist das auch besser so.

Dass er aber auch seinen spitzen Humor nicht verloren hat, beweist er gleich im schwelgenden „New Ideas“-Opener „Going Home“: „I love to speak with Leonard, he´s a sportsman and a shepherd, he´s a lazy bastard living in a suit.“ Typisch Cohen. Untermalt wird das Ganze mit einem laid back Arrangement. Die angenehm unaufgeregte Keyboardmelodie wird durch eine zurückhaltend platzierte Violine unterstützt und durch Dana Glovers dahin gehauchte Gesangsparts veredelt. Apropos Gesangsparts: Über allem schwebt die tiefe, ungeschminkte Stimme Cohens; er raunt, er säuselt, er klagt an wie eh und je. Allerdings scheint seine durch das Alter gezeichnete Stimme immer intensiver zu werden. Geradezu magisch wird es, wenn er in den Gesang Glovers einstimmt, wie es etwa auf „Come Healing“ der Fall ist. Die Gegensätzlichkeit zwischen stimmlicher Lieblichkeit auf der einen und dem grabestiefen Bariton auf der anderen Seite wirkt bedrückend schön. Einer der Höhepunkte des Albums ist sicherlich der sich erst heranschleichende, dann dynamisch vorwärts walzende Blues „Darkness“. Der Eröffnungspart mit der aufgewühlten Akustikgitarre erinnert sogar an „Avalanche“, was sicher nicht der schlechteste Querverweis ist. Traumhaft wird es dann in „Crazy To Love You“. Außer der einen bedächtigen Melodiebogen spielenden Gitarre und Cohens Stimme ist nichts zu hören. Und das genügt in dem Falle auch, um eine sehr intime Atmosphäre zu schaffen. Mit “Banjo” wird dann noch dem Country gefrönt und „Lullaby“ hätte aufgrund seiner Mundharmonika-Melodie einen alten John-Wayne-Western untermalen können. Ob das nun gut oder schlecht gewesen wäre, sei mal dahingestellt.

Cohen hat also (wieder) ein rundes, in sich geschlossenes Alterswerk geschaffen, das sicher nicht an die Großtaten seiner Spätjugend heranreichen mag, aber teilweise erstaunlicherweise mit einer wenn auch gediegenen Dynamik ausgestattet ist, die man ihm wohl nicht zugetraut hätte.

Marcus Schmanteck

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