Rezension

Kummer

Kiox


Highlights: 9010 // Bei Dir // Der Rest Meines Lebens
Genre: Hip-Hop // Rap
Sounds Like: Casper // OK Kid

VÖ: 11.10.2019

Brummer mit K macht Kummer. Und dieser breitet sich auch nach Hören der ersten Solo-Platte von Kraftklub-Frontmann Felix Brummer (bürgerlich Felix Kummer) im Gemüt der Republik aus. Auf dem zunächst nur in dem extra dafür ins Leben gerufenen Plattenladen (ganze drei Tage lang war dieser in Chemnitz existent) erhältlichen Album rappt der bessere Teil von Kraftklub auf „Kiox“ sehr persönlich über Heimat, Nationalismus und räumt mit Hip-Hop- und Männlichkeitsklischees auf. Worum es ihm geht, macht er direkt auf dem keine zwei Minuten andauernden Opener „Nicht Die Musik“ klar: „Ich mach‘ Rap wieder weich, ich mach Rap wieder traurig.“ Mit dem Berliner Musiker und Produzenten BLVTH (unter anderem Casper und Ahzumjot) hat er dafür die richtige Person mit ins Boot geholt, um diesem Ansatz einen musikalischen Ausdruck zu verleihen und gemeinsam mit den Drunken Masters, Zorro und Steffen Israel (Kraftklub) die passende Soundästhetik zu entwerfen. Wurzel der Inspiration war für Felix Kummer eine Person, mit der man das Album nicht direkt in Verbindung bringen würde: „Was Lana Del Rey bei mir ausgelöst hat, hab ich versucht irgendwie zu transportieren.“ Tatsächlich ist den synthetischen Soundflächen ein leicht kaputter und morbider Charakter inne, der der Platte seine beklemmende Schwere verleiht. Die Trap-Beats sorgen für das nötige Kopfnicken.

Dass Kummer nicht mehr bandbedingte Kompromisse in Text und Sound machen muss, tut seinem Schaffen gut. Den Lyrics wird der Platz eingeräumt, die sie benötigen, um ihre über weite Strecken doch sehr bedrückende Wirkung zu entfalten. Während er bei Kraftklub oft mit Perspektivwechsel spielte, bleibt er auf „Kiox“ persönlich. „9010“, benannt nach der Postleitzahl von Karl-Marx-Stadt, beschreibt das von Neonazi-Gewalt geprägte Aufwachsen als Linker in seiner Heimat Chemnitz. Dass er trotz Ecken und Kanten weiß, einen gewissen Pop-Appeal in den Sound zu integrieren, stellt er in dem charttauglichen „Bei Dir“ unter Beweis. Während „Der Rest Meines Lebens“ eine herrlich humoristische Darstellung der fast unvermeintlichen Entwicklung ins Spießertum ist – inklusive Schlusspointe und Max Raabe als Hook-Sänger – teilt Kummer auf „Kiox“ auch ordentlich aus: „In einer Welt, in der du alles hättest werden können, hast du dich dafür entschieden, ein verkacktes Arschloch zu sein“, heißt es in „Wie Viel Ist Dein Outfit Wert“. Das Kummer Flow hat, wissen wir bereits seit der ersten Kraftklub EP „Adonis Maximus“ und seinen gelegentlichen Ausflügen ins Rap-Game unter dem Pseudonym Carsten Chemnitz (unter anderem als Feature bei Zugezogen Maskulin oder Trettmann). Dass er auch Battle-Rap kann, zeigt er auf „Aber Nein“, unterstützt von der Wiener Rapperin Keke und Cloud-Rapper L Goony.

Kummer schafft es auf "Kiox", im Grenzbereich von charttauglichem Rap, emotionalem Storytelling und reflektierter Gesellschaftskritik Haltung zu bewahren und dadurch eine Masse, die er allein aufgrund seines Daseins als Bandfrontmann erreicht, noch mehr zu politisieren, als es im Kontext von Kraftklub möglich wäre. Statt HipHop-stereotypen Männlichkeitsbildern zeigt er Emotionen, rappt über Verletzlichkeit und legt seine Narben offen. So eingängig und bittersüß, wie es auch Casper 2011 auf dem Genreprägenden „XOXO“ gemacht hat.

Abhilash Arackal

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Kummer - 9010
Kummer - Bei dir
Kummer - Nicht die Musik

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