Rezension

Kim Gordon

No Home Record


Highlights: Sketch Artist // Murdered Out
Genre: Experimental
Sounds Like: Kim Gordon

VÖ: 11.10.2019

Kim Gordon meldet sich nach den Gemeinschaftsprojekten YOKOKIMTHURSTON und Body/Head musikalisch mit ihrem Solodebüt zurück. Wie es der Titel vermuten lässt, ist „No Home Record“ wahrlich kein Album zum heimeligen Lauschen, während sich außerhalb der eigenen vier Wände das Ungemütliche breitmacht. Eine herausfordernde Platte einer Künstlerin, die – mit einer Authentizität wie vielleicht keine andere – die Avantgarde in den Mainstream trägt.

Muss Musik Spaß machen, soll sie schön und unterhaltend sein? Oder soll Musik vielmehr etwas in uns auslösen, uns mehr über uns oder die Welt erfahren lassen? Ist Musik Kunst, darf sie im Grunde alles und muss gar nichts? Wer Kim Gordons Debüt lauscht, stellt sich mitunter vielleicht eine dieser Fragen. Gordons ehemalige Band Sonic Youth gehörte in den 80er- und 90er-Jahren zu den Größen des No Wave und lotete bereits damals die Grenzen von gitarrenbasierter Musik neu aus: Kompliziert gestimmte Gitarren, dissonante Sounds und eher ungewöhnliche Songstrukturen waren vor allem zu Anfang der Bandhistorie prägend.

Doch Kim Gordon geht noch mindestens einen Schritt weiter. Sie bietet eine Klangmischung aus Spoken Word, Dissonanzen, teilweise fragmenthafter Instrumentierung und reduziert die Melodien dabei auf ein gefühltes Minimum. In ihrer 2015 erschienenen Autobiographie „Girl In A Band“ beschreibt sie: „Ich denke, dass die Jazzplatten meines Dads mich beeinflusst haben oder zumindest an abstrakte Musik gewöhnt haben“. Von Haus aus also alles andere als 'easy listening'.

„No Home Record“ von vorne bis hinten zu hören, ist dementsprechend eine Herausforderung. Gordons Debüt löst stetig ein Gefühl des Unbehagens aus – und das ist sicherlich gewollt. Es gibt viel Unerwartetes und Assoziatives und gleichzeitig leider wenig stringente Erzählung, die eine:n durch die Songs führt. Es wirkt fast so, als wolle sie ihre künstlerischen Identitäten wie durch ein Brennglas nun in ihrer Musik auf den Punkt bringen. Denn das Multitalent ist nicht nur Musikerin, sondern auch Autorin, Musikproduzentin, Modedesignerin, bildende Künstlerin und Kuratorin. Das Experimentelle und Fragmentartige scheint ein Schwerpunkt ihres aktuellen Schaffens zu sein. Und auch wenn der eine oder die andere Hörer:in überzeugt davon ist, dass Musik nicht ausschließlich ästhetischer Hochgenuss für die Ohren sein muss: Beim Hören drängt sich dennoch zeitweise die Frage auf, ob der Versuch Gordons Klangwelt auf einem Musikmedium festzuhalten überhaupt gelingen kann (vielleicht wäre das, was auf „No Home Record“ passiert, doch stimmiger in einer Kunstperformance beheimatet als auf einer LP).

Aus der New Yorker Kunst-Avantgarde entsprungen, führt Kim Gordon die verschiedenen Stränge ihres künstlerischen Schaffens auf ihrem musikalischen Solodebüt konsequent zusammen. Es scheint, als hätte sie sich mit „No Home Record“ ein neues, eigenes Zuhause in der Musik schaffen können – offen bleibt nur, wer ihrer Einladung ins unbehagliche Heim folgen kann und will.

Nicole Dannheisig

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