Rezension

Kante

Plays Rhythmus Berlin


Highlights:
Genre: Country-Blues-Revue-Rock
Sounds Like: Flowerpornoes // Blumfeld // Arab Strap

VÖ: 09.03.2007

Du gehst durch die Großstadt. Berlin, London, New York, Tokyo. Du saugst den Klang auf, den diese Stadt macht, du leidest unter der Luft, den Schadstoffen, die selbst einen klaren kalten Wintertag schwül und drückend erscheinen lassen.

Dein Handy klingelt. Du drückst den Anrufer weg. Kramst in deinem Rucksack, holst deinen IPod – oder Zen Mini, oder so was in der Art – hervor. Ohne Eile suchst du im Archiv, findest was du suchst. Blubbernd, gluckernd erhebt sich die Musik, Peter Thiessen fragt dich, ob du es hörst, es spürst, das Zittern der Luft, die Stille unter all dem hektischen Gewusel der Menschen, der Autos, unter dem Rattern der U-, S- oder Trambahnen. Über dir dröhnt ein Flugzeug in die weite Welt, du gehst los, passt deine Schritte dem Rhythmus der Musik, dem Takt der Stadt an, du bist angelangt im „Rhythmus Berlin“.

„Kante plays Rhythmus Berlin“ ist ein gelungenes Sequel zu „Die Tiere sind unruhig“. Hier wie dort erschafft die Band – mit Hilfe Michael Mühlhaus’ am Keyboard – Stimmungen, Atmosphären, lässt dich eintauchen in die, in eine Geschichte. Liegt es am besonderen Klang des Studios, ist es begründet darin, dass die Band selber die Stimmung der Stadt, einer Großstadt so verinnerlicht hat und es ihr gelingt sie in Klang, in Text und Melodie und Arrangement zu gießen?

Du erinnerst. Was du erlebt hast, kommt wieder. Menschen, die du getroffen, geliebt, oder einfach nur bewundernd wahrgenommen hast. Klänge, Gerüche, Anblicke, das Haptische eines Treppengeländers. Alles war versteckt unter einem Haufen aus Schutt, dem Gefühlsmüll der Jahre. Jetzt kämpft es sich langsam wieder hervor. Es stürmt auf dich ein. Droht dich zu erdrücken.

Die Musik von „Die Tiere sind unruhig“ verströmte und erzeugte Stimmungen. Die Band setzte nahezu jedes Element ihrer Musik perfekt ein, packte dich – selbst wenn es manchmal etwas dauerte. So auch hier. Zwischen Balladen, fast klassisch anmutenden Gitarrenfiguren, abstrakten Soundkonstrukten, Country-, Blues-, Revue- und Rocksongs schafft die „Hamburger“ Band Kante einen Soundtrack zu einer Stadt, der Großstadt. Dabei geht es – vordergründig – zwar um Berlin, doch im Kern ist es die Idee der Großstadt die hier transportiert wird.

Langsam bewegst du dich durch die Viertel der Stadt. Dein Weg führt dich aus dem Zentrum in die Außenbezirke. Du siehst Villen, Plattenbauten, Reihenhäuser. Hier dominiert die Stille der Vorgärten, dort das Gewusel der kleinen Läden, fremde Sprachen dringen an dein Ohr. Du erkennst russische Wortfolgen, der zentralafrikanische Akzent in englischen Sprachfetzen überfordert dich. Das Geschrei der Kinder im Hof eines Hochhauskomplexes nervt dich, die Pärchen im Park stimmen dich romantisch.

„Die große alte neue Stadt“ hat dich einen Tag begleitet. Kante haben deine Eindrücke musikalisch ummalt und teilweise geprägt. Du wirst diesen Tag nicht vergessen. Die Stadt wird dich begleiten.

Oliver Bothe

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