Rezension

Junior Boys

So This Is Goodbye


Highlights: In The Morning // First Time // Like A Child
Genre: Pop
Sounds Like: Zoot Woman // Modjo // Pet Shop Boys // Phoenix // A-Ha

VÖ: 08.09.2006

In einer besseren Welt würde "So This Is Goodbye" von den Junior Boys innerhalb der nächsten Wochen von Japan über Deutschland bis in die USA auf die ersten Plätze der Charts einsteigen. Aber so wie es aussieht, wird es bei Amazon und Saturn, wie auch bei Michelle und Scheibenbeißer, vornehm in den Regalen verstauben.

Dabei ist der – vereinfachend formuliert – Elektro- bzw. House-Pop dieses Albums ein potentieller Klassiker. Jenseits von elektronisch angehauchtem oder dominiertem Pop der Marke absurd gut (Fischerspooner) oder poppig seicht (Klee, Kylie Minogue) liefern Jeremy Greenspan (Vocals) und Matt Didemus (Producer) zehn Songs, die zwar auch in die Vergangenheit schauen und sich dort bedienen, die aber vor allem futuristischer Pop für die 00er Jahre des 21. Jahrhunderts sein wollen. Die Vergangenheit manifestiert sich nicht zuletzt im Gesang, der klare Bögen zum Pop der Achtziger, dem Discosound der Siebziger schlägt, doch auch der Sound als Ganzes könnte einem elektronisch angehauchtem Projekt aus den Achtzigern entspringen, als das, was wir später alle unter dem Namen House kennen sollten, langsam die Pop-Musik infiltrierte. Das Chicago-entsprungene Genre ist überall offenbar – wie in den ersten Tönen des Albums überhaupt, dem Geflirre von "Like A Child" und anderntakts. Das gilt aber ebenso für den Anspruch, einen Pop-Klassiker zu schaffen – z. B. in den fantastischen Melodiebögen, dem gehauchten Gesang und dieser das Album durchdringenden ansprechenden, Wohlgefühl verströmenden Atmosphäre.

Der Junior-Boys-Pop reduziert sich auf einen Dreiklang aus Synthesizer/Keyboard, Drumeffekte und herzergreifendem Gesang von Jeremy Greenspan. Dabei besitzt der – im Bezug auf einen Tenor würde man sagen – Schmelz des letzteren soviel eigenes, erinnert aber gleichzeitig an all die guten Pop-Songs, die man aus den letzten dreißig Jahren kennt. Mancher Hörer – darunter die bessere Hälfte des Rezensenten – findet das streckenweise zu poppig, zu seicht, zu wenig sperrig, und der Schreiber dieser Zeilen kann dies nachvollziehen, er kann es aber nicht an einzelnen Stellen festmachen. Jetzt gerade wabert ihm "FM" – der Abschlusstrack – zu sehr vor sich hin und doch erinnert er sich, wie er sich eben in diesem Track kürzlich vollkommen verloren hat.

Auf den ersten Blick erscheint das vielleicht als purer oder sogar langweiliger Pop, doch jenseits der scheinbar glatten Synthesizer-/Keyboard-Melodien und der bezaubernden Gesangsspuren gibt es so unheimlich viele kleine und große Ideen, dass einem die Worte fehlen. Besonders deutlich wird dies an Track "In the Morning" (auch hier in der Audiothek erhältlich), dem Andi Toma (Mouse on Mars) einen ganz eigenen verqueren, knarzenden, modernen, abgefahrenen Charakter verleiht. Auch "Caught In A Wave" und "The Equalizer" haben ihre zukünftig als Referenz für Nachahmer anzuführenden Momente aus Süß und Bitter, und bei "First Time" wabert der Bezug der Musiker zu House und Garage aus dem tiefen düsteren Synthiesounds, die den Song eröffnen und im weiteren Verlauf immer wieder aus den Tiefen hervorstoßen.

Die Stimmung von "So This Is Goodbye" wird verschiedentlich – so auch in der offiziellen Info – als eine des Reisens oder sogar der Reisekrankheit bezeichnet. Weniger blumig ausgedrückt: das Album verströmt auf seiner gesamten Länge das Gefühl, das sich beim Betrachten des Chemical Brothers Videos zu "Star Guitar" einstellt – eine Empfindung des Dahinfliegens, des ganz und gar in der Welt Aufgehens, und was jeder einzelne dabei noch empfinden mag. So ist "So This Is Goodbye" hoffentlich ein zukünftiger Klassiker; ich werde es mir auf jeden Fall immer wieder gerne anhören – und dabei auch die Beine nicht stillhalten können.

Oliver Bothe

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