Rezension

José González

Vestiges & Claws


Highlights: Let It Carry You // Stories We Build, Stories We Tell // What Will
Genre: Singer/Songwriter
Sounds Like: Elliott Smith // Nick Drake

VÖ: 20.02.2015

Wer möchte, kann sich mit „Vestiges & Claws“ auf einen ausgedehnten Spaziergang mit José González begeben. Sein drittes Album nach beinahe achtjähriger Pause widmet sich unserer Umwelt und unserem Sein und überrascht durch seine musikalische Unaufgeregtheit.

Dass der schwedische Songwriter González in der Zwischenzeit viel mit seiner Rockband Junip unterwegs war, äußert sich lediglich hier und da in der Hinzunahme dezenter Streichinstrumente oder dem verstärkten Einsatz perkussiver Elemente. Ansonsten knüpft der begnadete Gitarrist direkt dort an, wo er 2007 mit „In Our Nature“ aufhörte. Auch wenn das virtuose Gitarrenspiel diesmal aus mehreren Kanälen gleichzeitig ertönt, erzeugt es jedoch lediglich den atmosphärischen Rahmen, in den hinein González seine Gedanken in den feinen Linien seiner weichen Stimme malt. Diese Fragilität im Klangbild erzeugt eine Art Spannungsbogen. Die etwas zu hart angeschlagenen Gitarrensaiten oder der sich in höhere Tonlagen aufschwingende Gesang führen bereits zu dezenten Übersteuerungen und das Knistern der Lautsprecher macht so die emotionalen Akzente der Lieder direkt erlebbar. Die Konstruktion einer ausgewogenen Akustik war schon immer eine Spezialität des José González, der es bereits früher auf Konzerten verstand, nur mit seiner Gitarre bewaffnet, den wuchtigen Sound einer ganzen Band zu erzeugen. Das selbstproduzierte „Vestiges & Claws“ kommt hingegen deutlich weniger offensiv, beinahe verhalten daher und entstand ungestört von äußeren Einflüssen oder Meinungen im heimischen Wohnzimmer in Göteborg – José González liebt die Arbeit alleine.

Anders als auf den Vorgängerwerken brennen sich die Melodien nicht sofort ins Gedächtnis. Cover-Songs, einst eine Leidenschaft des Schweden mit argentinischen Wurzeln, fehlen. Der erste Hördurchgang gleicht eher dem Blick aus dem Zugfenster, an dem vieles vorbeirauscht und bei der die Details verschwimmen, als der aufmerksamen Wanderung zu Fuß. Auf diese begibt sich González jedoch auf textlicher Ebene. In „The Forest“ werden dunstverhangene Landschaften beschrieben und gleichzeitig auf unseren sorglosen Umgang mit der Natur angespielt: „Why didn’t I see? The forest’s on fire behind the trees“. „Let It Carry You“ lädt, wie schon der Titel verrät, zur Meditation oder dazu ein, sich einfach die Zeit zu nehmen, den Geist wandern zu lassen und sich Gedanken hinzugeben. „Every Age“ macht weiter mit metaphorischen Betrachtungen der eigenen Existenz: „Every age has its turn, every branch of the tree has to learn, learn to grow, find its way, make the best of this short-lived stay“.

„Vestiges & Claws“ zeigt einen auf hohem Niveau konstant arbeitenden und gleichzeitig nachdenklichen José González. Melodisch reduzierter als sonst begibt sich dieser auf einen meditativen Trip. Sein neuestes Album ist keine Aufforderung, aber eine Einladung, ihn dorthin zu begleiten.

Jonatan Biskamp

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