Rezension

Interpol

Our Love To Admire


Highlights: Pioneer To The Fall // The Heinrich Maneuvre // Who Do You Think
Genre: Indie // Post Punk // New Wave
Sounds Like: Editors // Joy Division

VÖ: 06.07.2007

Jede Dekade hat eine Handvoll Gruppen, die außergewöhnlich sind. In den 60ern waren es unter anderem die Rolling Stones und die Beatles, in den 70ern die Sex Pistols, in den 80ern Queen, in den 90ern Nirvana und Oasis. Diese Gruppen sind deswegen außergewöhnlich, da sie nicht nur zu ihrer Zeit erfolgreich Platten verkauften, sondern sie tun es immer noch. Man singt ihre Lieder abends am See auf einer verstimmten Akustikgitarre, man hört sie im Radio, Evergreens sagt man dazu. Interpol könnten eine der außergewöhnlichsten Gruppen der 00er-Jahre werden. Auch wenn ihre Lieder eigentlich zu vielschichtig sind, um sie am Lagerfeuer zu spielen und auf Mainstream-Radiosendern zumindest hierzulande noch nicht gespielt werden. Aber auch das scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

2002 erschien das Debütalbum der New Yorker, "Turn On The Bright Lights", zwei Jahre später folgte "Antics". Beide Alben landeten in den Jahrescharts diverser Magazine auf den vorderen Rängen, sind aus All-Time-Charts nicht mehr wegzudenken. Da stellt sich eine gewaltige Frage: Wo soll das noch hinführen? "Our Love To Admire" ist nicht die Antwort auf diese Frage, das neue Album verstärkt sie nur.

Das macht schon die erste Singleauskopplung "The Heinrich Maneuver" mehr als deutlich, das in bester Tradition der Antics-Hits "Evil" und "Next Exit" zum Tanzen einlädt. Ähnlich catchy ist "Who Do You Think". Aber Interpol - und auch das kennt man von den letzten beiden Alben - sind auch berüchtigt für tieftraurige Lieder. Genauso beginnt auch das Album. "Pioneer To The Falls" ist derart schwermütig, dass man sich im davon ausgehenden Elend suhlen will. Gleich zu Beginn einen der schönsten Interpol-Songs seit "Stella Was A Diver And She Was Always Down" rauszuhauen, ist natürlich gewagt. Immer und immer wieder möchte man es sich anhören, nie wieder etwas anderes, für den Rest des Lebens.

So ist "Pioneer To The Falls" aber auch der perfekte Einstieg, denn das Lied beweist, dass der einzige Unterschied zu den beiden Vorgängern das Cover ist, wenn man nicht die dunkel ummantelte Limited Edition in den Händen hält, auf dem keine Löwen ihre Krallen in eine Antilope pressen. Um sicher zu gehen, wurden gleich noch zwei ruhige Stücke mit "No I in Threesome" und "Scale" dahinter gepackt, bevor dann das schon genannte "Heinrich Maneauver" mit den Worten "How are things on the westcoast?" zum Tanzen einlädt.

Interpol-Songs waren schon immer Gesamtkunstwerke. Alles ist stimmig, das Gitarrenspiel, die Bassläufe, der Gesang von Paul Banks, Synthies, Streicher, die Texte. Jemand, der dies zum ersten Mal hört, der kann durchaus überrumpelt werden und das noch gar nicht verarbeiten. Und auch langjährige Interpol-Fans müssen manches erstmal sacken lassen. Genau so ist zu erklären, dass Interpol-Alben Grower sind, ihr ganzes Können oft erst Wochen oder Monate später offenbaren. Da ist die Veröffentlichung von "Our Love To Admire" im Sommer gar nicht so ungeschickt. Denn wenn die Tage kürzer und dunkler werden, dann entfalten vielleicht auch die letzten Lieder ihre ganze Kraft und das Gesamturteil über die Platte ändert sich noch einmal.

Dieses fällt aber auch so schon sehr positiv aus. Zwar kommt das dritte Werk von Interpol (noch) nicht an die beiden Vorgänger heran, dennoch sind die elf Titel allesamt Musik auf hohem Niveau. So unterstreichen die New Yorker nochmals deutlich, wie besonders sie sind. Allerdings haben sie mit den Editors mittlerweile Konkurrenz bekommen, die auf dem besten Weg sind in die Fußstapfen von Banks und Co zu treten und beim diesjährigen Southside-Festival sogar den besseren Slot erwischten. Aber Wettbewerb kann bekanntlich nie schaden. Egal, was uns beim vierten Interpol-Album erwarten wird, eines wird es sicher nicht: gewöhnlich.

Martin Korbach

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