Rezension

I Got You On Tape

Church Of The Real


Highlights: Run From The Rain // Trust And Solitude // TNT
Genre: Artpop // Indie // Synthiepop
Sounds Like: WhoMadeWho // Turboweekend

VÖ: 02.11.2012

Da sitzt ein bärtiger Typ tagein, tagaus in einer Bar, raucht und kritzelt Zeilen in einen kleinen Block. Ganz schön geheimnisvoll wirkt er, fast ein wenig düster – bis er eines Tages von einer jungen Band angesprochen wird, die kurzerhand beschließt, ihn zu ihrem Leadsänger zu machen.

Die Rede ist von Jacob Bellens und die Geschichte hat sich so oder so ähnlich tatsächlich in einer Kopenhagener Bar zugetragen. Oder auch nicht. Zumindest ist dies der Gründungsmythos von I Got You On Tape, einer Band aus der Fundgrube aufstrebender Künstler aus der dänischen Hauptstadt. Fakt ist allerdings, dass die Band in Bellens einen wirklich bemerkenswerten Sänger auserkoren hat, sein charakterstarker Bariton erinnert manchmal an Ian Curtis und dessen zahlreiche Epigonen, dann tönt er jedoch im nächsten Moment erstaunlich groovig und melodisch äußerst variabel. Die Kombination aus nordischer Coolness, Melancholie und Rhythmusgefühl, die auch einige andere dänische Bands auszeichnet, begründet die Qualität des mittlerweile vierten IGYOT-Albums „Church Of The Real“.

Der Titel-Song beginnt mit einem etwas beatlesken Intro, was aber täuscht, denn der Song bewegt sich schon nach nur 15 Sekunden in eine ganz andere Richtung: Ein straighter Basslauf ordnet den Song und Bellens' Stimme verleiht ihm dennoch die notwendige Prise Abwechslungsreichtum. „Run From The Rain“ erinnert dann fast an eine etwas entspanntere, weniger zappelige Version der Discopopper WhoMadeWho. Die Sirene am Songende bildet den passenden thematischen Übergang zum folgenden Song „High Water“, der allerdings mit seinem fast schon sakralen Gesang und seiner Getragenheit etwas sedierend wirkt.

Durchaus erwähnenswert sind auch die Bonustracks und Remixe auf „Church Of The Real“. So gefällt besonders „TNT“ als einer der musikalisch vielgestaltigsten Songs des Albums. Remixe von Bon Homme, Trentemøller und MHM One (aka Morten Halborg-Møller, der Kopf hinter einem der erfolgreichsten Kopenhagener Undergroundclubs der letzten Jahre) sprechen eigentlich für sich und zeigen, wie sehr IGYOT mit der Musikszene ihrer Heimatstadt verbunden sind. Trentemøller setzt mit seinem Remix zu „Springsteen“ auch gleich ein Statement, mit dem sich I Got You On Tape wohl auch in Zukunft auseinander setzen werden müssen: er lässt den Song etwas mehr ins Industrielle, Rohe, Düstere von Joy Division kippen – quasi als ironischer Seitenhieb. Gleichzeitig wird jedoch durch die Auflösung dieser Persiflage mittels eines Überspannungsknisterns und Elementen der zeitgenössischen elektronischen Musik im letzten Drittel deutlich, wie sehr im Hier und Jetzt die Musik von IGYOT zu sehen ist.

Christoph Herzog

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