Rezension

Howes

3.5 Degrees


Highlights: Source 000535 // Zeroset // Overveen
Genre: Techno // Ambient // Experimental
Sounds Like: Helena Hauff // Andy Stott // Delia Derbyshire

VÖ: 15.01.2016

John Howes ist ein mutiger, 22 Jahre junger Mann. Sein Debüt „3.5 Degrees“ bricht mit den Konventionen elektronischer Musik, die sich in ihrer breiten Masse dem Dogma linearer Entwicklung und der stetigen Steigerung hin zu einem Punkt der ekstatischen Entladung unterworfen hat. Umso mutiger, wenn man bedenkt, dass ein erstes Album gerade in Produzenten-Kreisen einen großen Schritt darstellt, einen Fingerabdruck, der sich eine ganze Karriere lang nicht mehr verwischen lässt.

Howes selber sieht sich als Komponist des 21. Jahrhunderts, der lediglich Geräusche arrangieren und zueinander in Bezug bringen muss. „3.5 Degrees“ wirkt folglich reduziert und karg. So reduziert, dass einige Tracks an eine audiometrische Untersuchung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt erinnern („Zeroset“). Dominiert von modularen Synthesizern, die mal rhythmisch, mal flächig, teils warm und teils schrill für sich stehen, entsteht eine Geräuschlandschaft, die man als post-apokalyptisch oder geisterhaft beschreiben könnte. Sich dem Album voll hinzugeben, kann Energie kosten, versetzt einen jedoch mit der Zeit in eine Art Zustand der Transzendenz, in dem man beginnen kann, über grundlegende Eigenschaften von Musik nachzudenken.

Weniger philosophisch und deutlich spürbar sind die Transformationen, die Howes’ Tracks erfahren, wenn er an vereinzelten Stellen Rhythmen einstreut und sein Werk so in Club-Musik zu verwandeln in der Lage ist („Source 000535“, „Overveen“). Anderen Stücken fehlt jedoch der Gegenpart zu ihren skizzenhaften Synthie-Melodien, der ihre hörbare Unwucht ins Gleichgewicht bringen könnte – ein „OYC“ beispielsweise macht daher lediglich im Album-Kontext Sinn. Howes war es wichtig, seine Musik von ihrer digitalen Physis zu befreien und überspielte daher seine Arrangements während des Aufnahmeprozesses auf Tonbänder. Wenn „3.5 Degrees“ auch nicht computer- oder maschinenhaft klingt, so doch seltsam befremdlich und schwer zu begreifen. Das macht es nicht einfacher, den Graben zu überwinden, den Howes um sein Gesamtwerk gezogen hat.

Jonatan Biskamp

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