Rezension

Ho99o9

United States Of Horror


Highlights: War Is Hell // Knuckle Up // City Rejects // New Jersey Devil
Genre: Punk // Rap // Industrial Hip Hop
Sounds Like: Death Grips // Show Me The Body // Bad Brains // Techno Animal

VÖ: 05.05.2017

Seit 2012 machen Ho99o9 die Bühnen unsicher und rasten bei Konzerten vollkommen aus. Also wirklich: Vollkommen! Das SXSW-Konzert in Austin 2015 beispielsweise wurde nach zwei (!) Songs abgebrochen, weil der Moshpit Überhand genommen hatte: Nackt, mit Bier eingerieben und auf alles kletternd, was irgendwie in der Nähe ist, um sich dann mit einem Backflip in die Menge zu werfen. So läuft das bei Ho99o9.

Die Musik klingt dann auch wie der passende Soundtrack für eine Selbst- oder Fremdvernichtung. Kompromisslos, laut, verzerrt, aggro vom Scheitel bis zu Sohle. So eine musikalische Schelle fängt man sich selten. Auf Albumlänge wird die Live-Eskalation, Gott sei Dank, nicht konsequent durchgeführt. Das könnte man sich wahrscheinlich nicht ohne Folgeschäden anhören, sprich Bluthochdruck, Amokgelüste, Schizophrenie, Katatonie, etcetera.

Aber gerade die kleinen Snippets und Ausnahmesongs machen die Platte zu einem Ohrenschmaus. Psychedelisch reingestreuselt, erinnern sie daran, dass Ho99o9 nach New Jersey jetzt in Los Angeles hausen. Eine kleine Glitch-Fahrt mit „Feels Like...“ zum zurücklehnen, dann prügeln einem wieder Gitarren und harte Beats entgegen. „Hydrolics“ stellt poppigen Autotune gegen düsteren Sphärennoise. Das verwirrt und ist Ho99o9 offensichtlich vollkommen egal. Der namensgebende Track „United States Of Ho99o9“ klingt nach großer Bühne. Eine Hymne gegen Polizeigewalt, Rassismus, Staat und alle Idioten, die gerade politischen Müll fabrizieren. Namentlich wird hier kein Präsident, Alt-Right-Freak oder Sicherheitsfanatiker benannt, aber die Adresse ist glasklar.

Die Härte, die sich von „War Is Hell“ bis „Blaqq Hole“ zieht, erzeugen Ho99o9 mit wechselnden Stilmitteln: Drum’n’Bass-Geballer, harte Gitarren, die mal sonnig klingen oder nach Slayer auf Koks, runtergepitchte Stimmen des Teufels, holpernde verzerrte 808-Drums und natürlich Eaddys and theOGMs Stimmen. Sie brüllen, rappen, klagen, prophezeihen und versprühen mehr Mittelfinger als es Hände gibt – und gab. Und zwar weltweit. Mit Blick auf die Ewigkeit. Diesen Genremix veranstalten die beiden mit Hilfe von einem Dutzend Produzenten, die ihr Handwerk verstehen: David Sitek (TV on the Radio), Ian Longwell (Santigold), Killer B (Rammstein, The Prodigy), Tizhimself (keine Ahnung, crazy Dude!), und so weiter.

Nach 45 Minuten Ohrenterror ist es nahezu alternativlos, demütig den Kopf zu senken, die linke Faust in die Höhe zustrecken und zu gestehen: “I pledge allegiance to the burning flag of the United States of Ho99o9!“

Peter Heidelbach

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Video zu "War Is Hell"
Video zu "City Rejects"

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