Rezension

Friska Viljor

Tour De Hearts


Highlights: Old Man // The Cure // Arpeggio
Genre: Indie-Pop
Sounds Like: Shout Out Louds // Arcade Fire // Men Among Animals

VÖ: 23.05.2008

Jugendliche weit jenseits des Stimmbruchs, die sich sonntag morgens um 4 den Magen auspumpen lassen müssen. Verkehrsunfälle mit fatalen Folgen. Zerrüttete Familien. Die Folgen des Alkoholmissbrauchs sind allgemein bekannt - und doch müssen zumindest gewisse positive Konsequenzen des gepflegten Vollrausches hervorgehoben werden. So hätte es zum Beispiel "Bravo!", das schnuckelige Debüt Frisja Viljors, wohl ohne selbigen nie in dieser Form gegeben.

Da die Geschichte ja allgemein bekannt ist, sei sie hier nur noch einmal kurz zusammengefasst: Daniel Johansson und Joakim Sveringsson wird ungefähr zeitgleich von ihren Schnallen der Laufpass gegeben, die betrübten Herren geben sich betrübt die Kante und wachen am nächsten Morgen nicht nebeneinander im Bett, sondern mit fertig aufgenommenen Songs im Studio auf. "Bravo!" bestätigt dann die Erfahrung, dass exzessiver Alkoholkonsum zu blitzschnellen Stimmungsschwankungen führen kann und lässt vermuten, dass die melancholischen Texte in einer Phase des An-der-Schulter-des-Kumpels-ausheulens entstanden, die fröhliche, verquere Musik jedoch wahrscheinlich in den Momenten geschrieben wurde, in denen gerade keine Tische in der Nähe waren, auf denen man hätte tanzen können.

Vielleicht waren die skandinavischen Schnapspreise dieses Mal endgültig zu hoch, um noch einmal ein striktes Durchhalten dieses Schemas zu ermöglichen, aber ganz so bipolar ist "Tour De Hearts" dann doch nicht ausgefallen. Zwar beweist "The Street Sounds Like" eindrucksvoll, dass auch Paranoia problemlos in sommerliche Popsongs verpackt werden können; bereits "Old Man" qualifiziert sich jedoch sowohl in inhaltlicher als auch musikalischer Hinsicht zum Schweden-Sommerhit des Jahres: Ein Refrain wie "We don't care what you tell us, old man, 'cause that's what a heart full of love does: It can conquer anyone" strotzt vor Mitsing- oder zumindest Mitgrinsekompatibilität, zudem macht diese erste Single aus "Tour De Hearts" so gut wie jeder Ska-(Punk-)Band eindrucksvoll vor, wie man Trompeten richtig einzusetzen hat.

A propos Trompeten: Neben dem Bläserfach wurde, wie bereits auf "Bravo!", natürlich mal wieder der gesamte Rest des Instrumentenschrank ausgeräumt, wodurch viele Songs eine eigene Note erhalten. So schien in der hintersten Ecke besagten Schrankes auch noch ein Laptop versteckt zu sein, mit dessen Hilfe dann das elektronische "Sunday" produziert wurde, "Dear Old Dad" reicht schon ein Xylophon zum Glück und "The Cure" - vielleicht nicht verwandt, aber durchaus verschwägert mit gleichnamiger Band - erinnert mit seinem Glockenspiel stark an die früheren Tourpartner Shout Out Louds. Überall präsent jedoch: Der herrlich schräge Gesang, eher einer Badewannensession als einem gelungenen DSDS-Casting entnommen, nicht immer schön, aber euphorisch.

Doch wer braucht schon eine goldene Kehle, um ein gelungenes Album abzuliefern? Friska Viljor nicht. Die brauchen dafür höchstens flüssiges Gold aus Hopfen und Malz, denn schließlich nahmen sich Daniel und Joakim einst vor - Trennungskisten hin oder her -, niemals wieder nüchtern Musik zu machen. Was bleibt da noch zu sagen außer - Skol!? "Tour De Hearts" - eine Platte, die man sich nicht schönsaufen muss.

Jan Martens

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