Rezension

Fotos

Porzellan


Highlights: Porzellan // Ritt // Raben
Genre: Shoegazing
Sounds Like: Brian Eno // Kante // My Bloody Valentine // Joy Division

VÖ: 10.09.2010

Deutschsprachige Bands haben es nicht immer leicht: Reflexartig werden sie schneller belächelt als ihre Kollegen aus dem anglophonen Raum und beim Texten laufen sie schnell Gefahr, ins Alberne/Pathetische/Gekünstelte/hiereinbeliebigesWorteinsetzen abzurutschen. Das tun ausländische Bands genauso – nur klingt die ganze Chose auf sexy Englisch vorgetragen einfach immer cooler. Ein Problem, unter dem auch die Jungs von der Band mit dem wenig hippen Namen „Fotos“ zu leiden hatten. Ihr auf der damaligen britischen Indie-Welle à la Bloc Party reitendes Debüt wurde als bloßer Abklatsch der Insel-Musik belächelt, der Nachfolger „Nach dem Goldrausch“ ging irgendwie zwischen Nichtigkeiten unter. Dabei hätte der Mut zu deutschen Texten eigentlich belohnt werden müssen.

Auf dem dritten Werk mit dem zerbrechlichen Titel „Porzellan“ erweitern die Fotos den der Band von jeher eigenen Spagat noch: Die Musik erinnert mehr denn je an wohlvertraute Klänge von der Insel. Was zu Anfang der leicht überdrehte Indie-Rock war, hat sich nun in ein sphärisches Shoegazing-Album verwandelt. Metarmorphose geglückt? Credits gibt es von vornherein für den unstillbaren Willen zur Weiterentwicklung – egal, wie oft sie stolpern, die Fotos bewegen sich immer gleich drei Schritte vorwärts anstatt zwei zurück.

Und auch die Geschlossenheit des neuen Konzepts fasziniert: Neben dem unterkühlten Titel bietet das Cover eine ebensolche Optik und auch die Kürze der Songtitel (Nacht/Mauer/Wasted) möchte dem Hörer signalisieren, dass man sich hier aufs Wesentliche beschränkt. Wirklich? Wo Titel und Optik auf ein einfaches, schlichtes musikalisches Werk hindeuten, verliert sich „Porzellan“ in Wahrheit in tausend Klangschichten, die zweifelsfrei sorgfältig übereinander gestapelt wurden. Nach einem schier endlosen Intro klingt Tom Hesslers Stimme wie kilometerweit im Nebel entfernt und die Assoziationen mit den ganz Großen wie Joy Division, Brian Eno oder My Bloody Valentine drängen sich zwangsläufig auf.

Doch aller Ähnlichkeit mit dem musikalischen Vorbildern zum Trotz gelingt es den Fotos, auf dem Album etwas Eigenständiges zu schaffen: Große Melodien nämlich, die sich bei allen klanglichen Verwirbelungen klar und deutlich ins Gehirn einbrennen. Der Titelsong „Porzellan“ etwa, dessen kraftvolle Melancholie erstaunt und begeistert, oder das glasklare „Ritt“, das ebenso zerbrechlich wirkt wie das Material aus dem der Albumname gemacht ist. Nur manchmal verlieren sich die Fotos in den neuen Dimensionen, die sie sich selbst aufgemacht haben. Dann wirkt das Album unfokussiert. Andererseits tastet man beim Hören von Porzellan des öfteren unwillkürlich nach der CD-Hülle um zu prüfen, ob man gerade wirklich diese deutsche Band mit dem doofen Namen hört: Ja, so ist es. Und die scheinen sogar verdammt schlau zu sein.

Lisa Krichel

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