Rezension

Favez

Bigger Mountains Higher Flags


Highlights: She Wakes Up Every Night // The Goodbye Song // And We Dance // White Limousine
Genre: Indie-Rock
Sounds Like: Jimmy Eat World // Foo Fighters // Slut

VÖ: 23.11.2007

Altern mit Würde will wirklich gelernt sein. Da wird manch einer spießig, dröge oder zur langweiligen Couchpotato, das Feuer wird notgedrungen zur Sparflamme heruntergedrosselt. Klar, die Luft ist irgendwann einfach raus, kann man ja auch verstehen. Unsere moderne Zeit wird eben immer schneller und kann durchaus schon mal an einem vorbeirasen, inzwischen kann man ja über den Browser seines Handys auch schon Second Life zocken.

Nicht, dass Favez jetzt wirklich alt sind. Nur ist man nach vierzehn Jahren und fünf Alben als Schweizer Band im Rockzirkus sicherlich nicht mehr dieselbe wie 1993, wo Begriffe wie „Browser“ nur CT lesenden Hornbrillenträgern wirklich geläufig waren. Da heißt es heutzutage, gegen den schnelllebigen Alltagsstrom anzuschwimmen oder eben im Mittelmaß zu ersaufen. Favez haben das begriffen. Sie sind keine Newcomer und haben nicht den Überraschungsmoment, sie sind ein mehr oder minder etablierter Geheimtipp. So werden Berge größer, schwieriger zu erklimmen. Das kann frustrieren, es kann aber auch motivieren: Dann wird unsere Flagge letztlich eben in größerer Höhe gehisst.

Dass sie dafür das unabdingbare Selbstbewusstsein besitzen, zeigt sich schon im Schritt, auf ihrem sechsten Album ihre Band auf ebenso viele Mitglieder aufzustocken. Sowohl Rhodes-Piano als auch Hammond-Orgel sind jetzt essentieller Bestandteil dieses speziellen Sounds von Favez. Solche Musik gibt und gab es schon oft. Man gerät aber verdammt nochmal ins Straucheln, bemüht man sich um treffende Vergleiche. Melancholisch, erhebend wirkend, rockig, manchmal euphorisch, mit ganzer Seele dabei, stets aber etwas zurückhaltender als früher, zeigt die Band wie das mit dem Altern funktionieren kann.

Allerdings sollte man nicht dem Trugschluß erliegen, dass sie nun „zu alt“ für den Clubgig sind. „She Wakes Up Every Night“ ist vielleicht ein Song, den man im Radio spielen könnte. Mit dem Zusatz, dass man ihn dort auch hören möchte. Riesig geben sie sich hier, gar hymnisch. Aber nicht peinlich, nicht angebiedert. Dafür steckt hier der Textwolf im Songschafspelz: „Oh, the stink is bad like he's rotting, but the sex is nice when he sleeps. She wakes up every night for the role she holds when she's hiding“. Vergessen wir das mit dem Radio mal lieber. Sie können es nämlich erstaunlicherweise noch besser. „The Goodbye Song“ heisst der Kerntrack der Platte und er ist einer der am smartesten arrangierten Songs dieses Musikjahres, weil er auf so vielen Ebenen funktioniert. Der Refrain unterliegt jedes Mal einer anderen Dynamik, das Pianothema des Songs ist majestätisch. Und immer wieder geht es um den Aufbruch, um den neuen Standpunkt – er ist der rote Faden von „Bigger Mountains, Higher Flags“.

Dazu passen Songs gegen die Digitalisierung des Musikmarktes („When We Were Kings“) ebenso gut wie solche über Orte, in denen man einst lebte, an denen schmerzvolle Erinnerungen hängen („Here, We're Nothing“). In letztgenanntem klingt Fronter Chris Wicky textlich wie stimmlich übrigens extrem nach Kurt Cobain („I tried selling the plan to Nigel, but he said, man I don't know. I've been feeling kind of worn out, kind of low“), zeigt aber auch sonst vollen Einsatz und vermittelt seine Gefühlswelt berührend authentisch.

Authentisch trifft es wohl auch am besten - Favez sind mitreißend, voll im Leben und sich darüber im Klaren, wie es weitergehen soll. Wie war doch gleich der Titel des letzten Albums? „Old And Strong In The Modern Times“. Definitiv. Also nicht, dass Favez jetzt wirklich alt sind. Älter, ja. Nur so konnten sie dieses sechste Album schreiben und aufnehmen, nur so den Anspruch, den sein Titel propagiert, halten. Die jetzt folgende Tour sollte „Kings Of The Hill“ heißen.

Gordon Barnard

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