Rezension

Die! Die! Die!

Harmony


Highlights: Harmony // Seasons Revenge // Twitching Sunshine
Genre: Post-Hardcore // Noise-Rock // Shoegaze
Sounds Like: Shellac // Trail of Dead // Fugazi // Big Black

VÖ: 09.11.2012

Zugegeben: Der Name ist blöd. Jedoch passend. Die! Die! Die! stammen aus der neuseeländischen Indie-Institution Dunedin und haben doch nichts mit dem Traditionslabel Flying Nun zu tun. Kein Jangle, kein Kiwi, keine Clean, keine Verlaines und keine süßen Indiemädchen, wie der martialische Name bereits unmissverständlich macht, musiziert man hier mit Vorschlaghammer und Bohrmaschine: Männerschweiß! Schweres Geschütz! Blut und Tränen!

Auch Die! Die! Die! dürfen sich weiterentwickeln. Allerdings gehen sie hier nicht den üblichen Weg der Verlangsamung, Verweichlichung und Anbiederung an ein größeres Publikum. Verglichen mit dem Vorgänger „Form“ erscheint der Titel „Harmony“ wie ein besonders bösartiger Scherz, verpackt in ein harmlos anmutendes, abstraktes Cover. Doch wer hier bereits die Parallelen zu „GI“ von den Germs entschlüsselt, weiß: Gelacht wird woanders. Natürlich waren die einzelnen Versatzteile immer schon vorhanden – tragende Basslinien, hektisches Getrommel, Drumfills en masse, höhenlastige Gitarren – allerdings wurde der Volume-Knopf jedes einzelnen auf elf hochgedreht. Dem Bass wird dadurch eine dominante Rolle zugeordnet. Die Gitarre dagegen ist weniger melodieführend als flächendeckend: Durch unzählige Pedals werden wellenartige und flirrende Klangteppiche erzeugt.

Diese Entwicklung funktioniert generell: Die Songs wirken dynamischer, treibender und lassen sogar teilweise Platz für Überraschungen. Der Break im Titellied ist so ein erfrischender Moment, der die Spielregeln der Band verwirft und eine neue, interessante Richtung vorsichtig andeutet. Auch „Trinity“ hält sich trotz des hohen Lärmpegels an herkömmliche Songstrukturen und erinnert an die nicht mehr ganz so frühen und damit kompromissbereiten Trail Of Dead. „Twitching Sunshine“ scheint auch direkt an diese DNA anzuzapfen. Das Hochschrauben hin zur Katharsis beherrscht die Band mindestens so gut wie die großen Vorbilder aus Austin.

Richtig nerven tun Die! Die! Die! dagegen nur, wenn der Gitarrenlärm wie auf „Erase Waves“ oder „16 Shades Of Blue“ bloß dem Selbstzweck dient. Hier fehlt die klare Melodieführung, der Spaß an der Musik. Die einzelnen Ruhepole wie „Seasons Revenge“ oder „Get Back“ sind natürlich so gut und vorhersehbar platziert, dass sie mittlerweile niemanden überraschen sollten. Zuckerbrot und Peitsche eben.

Natürlich kann man sich nun aus kommerzieller Hinsicht fragen, was ein Album wie „Harmony“ erreichen soll. Während die meisten Bands gerade nach mehreren Alben in der Erwartung eines „Jetzt endlich!“-Moments den Durchbruch mit einem zugänglicheren und häufig belanglosen Album erzwingen wollen, haben sich Die! Die! Die! wohl mit ihrem Platz im Keller abgefunden. Und das ist – zumindest für den Hörer – auch eigentlich gut so.

Yves Weber

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