Rezension

Die Ärzte

Hell


Highlights: Das Letzte Lied Des Sommers // Alle Auf Brille
Genre: Rock // Pop
Sounds Like: Farin Urlaub Racing Team // Bela B.

VÖ: 23.10.2020

Nostalgisch können die meisten von uns irgendwie von den Ärzten schwärmen. Auch meinen Musikgeschmack haben die Berliner entscheidend mitgeprägt, ob es ein gesamter Sommerurlaub mit „Das Beste Von Kurz Nach Früher Bis Jetze“ auf dem geliehenen Discman oder das erste große, Wodka-O geschwängerte Konzert war. Nach dem enttäuschenden „Auch“ war ich nun bei weitem nicht der einzige, der gespannt auf die neue Platte seiner Jugendhelden gewartet hat.

„Hell“ sollte man nicht mit zu hohen Erwartungen hören. Dass, was die Band in den 1980er und 1990er Jahren geliefert hat, wird sie wahrscheinlich nie wieder erreichen. Und man wird auch nie wieder 13 sein. Das Konzept hat sich nicht geändert, der Humor ist der gleiche – man selbst hat sich jedoch sehr wahrscheinlich weiterentwickelt. Wenn man es jedoch schafft die Platte als das zu sehen was sie ist, eine Ergänzung zu einer großen und tollen Diskographie, findet man durchaus Gefallen an „Hell“. Wie die Vorgänger ist das Album mit 18 Songs eindeutig zu lang geraten, was nach einer Auszeit von acht Jahren auch zu erwarten war. Die Füller, die schon auf den letzten Werken zu finden waren, bleiben leider auch jetzt nicht aus. So kommt es, dass man sich bei Songs wie „Achtung: Bielefeld“ oder „Warum Spricht Niemand Über Gitarristen?“ dabei erwischt, an der Sinnhaftigkeit des Ganzen zu zweifeln. Hin und wieder scheint die Beste Band der Welt nicht mehr am Zahn der Zeit zu sein. Bestes Beispiel ist „Woodburger“: Dabei reicht es nicht, dass Burger-Wortspiele schon seit Jahren ausgelutscht sind, auch die Lyrics, in denen Farin davon fantasiert homophobe AFD-Politiker durch eigenes Schwulwerden und Analsex zur Homosexualität zu bringen, sind komplett aus der Zeit gefallen und mindestens fragwürdig. Es gibt aber auch die andere Seite der Medaille. Die Band ist, wie sie selbst sagt, im Vergleich zu „Auch“ wieder wirklich motiviert und hat Spaß an der Sache. Die Ärzte müssen es niemandem mehr beweisen, weshalb sie sich musikalisch komplett ausgetobt haben. Daraus sticht „Alle Auf Brille“, der Oi! überraschend gut karikiert und sicherlich einer der besten Songs mit Belas Vocals der letzten Jahre ist. Aber auch altbewährtes funktioniert auf „Hell“. So ist „Das Letzte Lied Des Sommers“ ein toller Pop-Song á la Kettcar und erinnert an „Westerland“.

Wer also auf die große Renaissance der Ärzte gehofft hat, sollte „Hell“ nicht anrühren. Die Schwächen der letzten Veröffentlichungen sind auch hier erkennbar und werden es wohl auf möglichen neuen Platten bleiben. Für einen ruhigen, nostalgischen Abend zusammen mit den Lieblingsalben der Band eignet sich „Hell“ hingegen gut – sofern man kein Problem hat zu skippen.

Lewis Wellbrock

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