Rezension

dEUS

Vantage Point


Highlights: Eternal Woman // Favourite Game // The Architect // Popular Culture
Genre: Indie
Sounds Like: Millionaire // Absynthe Minded // The Cooper Temple Clause

VÖ: 18.04.2008

dEUS sind jetzt schon eine ganze Weile im Geschäft, doch nie war es spannender, welche Entwicklung die Mannen um Bandkopf Tom Barman diesmal durchgemacht haben. "Pocket Revolution" war so etwas wie ein Umbruch. Die avandgardistischen Wurzeln wurden weitestgehend gestutzt, so dass unter dem Strich ein lupenreines Indierock-Album blieb. Die Zeiten, in denen man nie so genau wusste, wohin einen die Songs führen würden, schienen vorbei zu sein. Oder etwa doch nicht? "Vantage Point" soll die Antwort auf diese Frage geben, den neuen Standort bestimmen, darüber entscheiden, ob dEUS-Liebhaber der ersten Stunde sich tatsächlich umorientieren müssen, oder wieder beruhigt die alte Kauzigkeit wertschätzen dürfen.

Selbstverständlich wären dEUS nicht dEUS, wenn sie am Ende nicht mehr Fragezeichen hinterlassen würden, als dass sie Antworten geben. Wenn "Pocket Revolution" eine Weiterentwicklung war, die sich im Wesentlichen durch die Reduzierung des musikalischen Spielraumes definiert hatte, so geht die Band mit "Vantage Point" nicht nur einen, sondern mindestens drei Schritte zurück. Es scheint fast so, als ob dEUS es unbedingt darauf angelegt hätten, alle Ideen (und das sind bekanntlich nicht wenige) auf eine Platte zu bannen. Das muss nicht immer gut sein, denn ein derartiges Vorhaben kann sich leicht als wahnwitzige Unternehmung ohne Hand und Fuß entpuppen. Anders verhält es sich aber auf dem fünften Studioalbum der Belgier. Die schiere Flut an grandiosen Einfällen und Experimenten sorgt dafür, dass gar keine andere Wahl bleibt, als sich wieder einmal in den dEUS-Kosmos hineinziehen zu lassen.

Und dabei standen die Vorzeichen gar nicht schlecht, dass die Band vielleicht dieses Mal den von ihnen selbst vorgegebenen Weg weiter beschreiten würde – zum ersten Mal haben es dEUS geschafft, die gleiche Besetzung wie auf dem Vorgängeralbum aufzuweisen. Stattdessen haut gleich der Opener "When She Comes Down" eine riesige Kerbe in sämtliche Erwatungshaltungen. Der geradezu funkige Sprechgesang ist nicht gerade das, was man von dEUS bereits gewohnt war. Das nachfolgende "Oh Your God" setzt aber noch einen drauf. In bester Nick-Cave-Manier predigt Barman seine Litaneien zu wabernden Tremolo-Gitarren, um dann in einen wunderbar melodiösen Refrain abzudriften.

Aprospos Nick Cave. Der inspirierte Tom Barman dazu, zur Abwechslung mal nicht ausschließlich über sich selbst zu singen. Was dabei raus gekommen ist, kann man in dem am ehesten an alte Zeiten erinnernde "Slow" (mit Gastauftritt von The-Knife-Sängerin Karin Dreijer Andersson) und der Mutprobe für jeden dEUS-Fan, "The Architect", hören. Auch wenn das jetzt wahrscheinlich einigen feuchte Tränen in die Augen treiben wird, aber wenn der Song in ein paar Wochen nicht nach Justices "We Are Your Friends" in der Disko eures Vertrauens läuft, dann solltet ihr den DJ schleunigst von seinem Pult wegzerren. Wer hätte der Band einen solchen Tanzflächenkiller zugetraut?

Dass Balladen schon immer die Stärke von dEUS waren, weiß man natürlich und so ist es kein Wunder, dass mit dem ohrwurmigen "Eternal Woman" und der Guy-Garvey-(Elbow)Kollaboration "The Vanishing Of Maria Schneider" gleich zwei weitere Exemplare für den heimischen Trophäenschrank zu finden sind. Angenehm überraschend ist aber, wie sehr die Band im Bereich des Riffrocks zugelegt hat. So würden sich die Queens Of The Stone Age wahrscheinlich sehr darüber freuen, heute noch solche Songs wie das treibende "Favourite Game" oder das äußerst bedrohliche "Is A Robot" zu schreiben.

Als ob das riesige Niveau über das gesamte Album bisher nicht genug gewesen wäre, heben sich dEUS den Paukenschlag stilecht für den Schluss auf. Bei "Popular Culture" wird noch einmal alles aufgefahren. Ein Chor, ein Orchester und eine Refrainmelodie für die Ewigkeit. Nicht nur aufgrund dieses Songs müssen die alten Heldentaten der Band zittern, wenn es darum geht, welches Album von dEUS in Zukunft als DAS Album gelten wird. Fakt ist, dass "Vantage Point" nicht nur das abwechslungsreichste, sondern auch mitreißendste Werk der Bandgeschichte geworden ist. Erwartungshaltungen hin oder her.

Benjamin Köhler

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