Rezension

Dälek

Abandoned Language


Highlights: Abandoned Language // Paragraphs Relentless // Isolated Stare // Corrupt (Knuckle Up)
Genre: Hip Hop // Avantgarde
Sounds Like: El- P // Four Tet // Aesop Rock

VÖ: 09.03.2007

Es war schon ein ziemlicher Schock, als die Meldung die Runde machte, dass DJ Still nicht mehr länger Teil von Dälek sein wird. Der Mann, der neue Standards in Sachen Turntablism setzte, der auch mal gerne mit der Zunge (sic!) scratchte, der Dälek zu dem besten Hip Hop Live Act aller Zeiten machte. Vergessen hat man aber dabei, dass Still nie das Hirn hinter Dälek war, sonst wäre ein Brocken wie „Abandoned Language“ nie möglich gewesen. Man muss ja immer vorsichtig sein, wenn man das Wort „Meilenstein“ in den Mund nimmt, aber was MC Dälek und Oktopus hier abgeliefert haben, ist schlichtweg das beste Hip Hop Album seit ein Gangsta noch ein Gangsta war. Straight into your face, Alter!

Dälek bezeichnen ihr neuestes Werk selbst als eine Art vertonten David Lynch Film. Aus diesem Grund haben sie auch gleich einen Song nach dem Altmeister der wirren Cineastik benannt. Besser hätten sie „Abandoned Language“ auch nicht charakterisieren können. Klammert man sich beim ersten Kontakt noch an die eine oder andere Songstruktur, verliert man sich bei näherer Betrachtung vollkommen in einen Strudel aus Interpretationen. Dälek behalten die Lösung für diesen Hirnfick immer in der Hinterhand, zeigen aber nie alles, sondern lassen den Hörer mit einem verstörten Eindruck zurück. Von da an ist man süchtig.

Bereits beim 10! minütigen Opener und Titeltrack fällt die Abkehr vom Noise auf, die sich auf der vorangegangen EP angekündigt hat. Die Reduziertheit bedeutet aber auf keinen Fall einen Abfall der Sounddichte. Die Beats und Samples lassen weiterhin kaum Platz zum Atmen, erwirken eine klaustrophobische Atmosphäre und MC Dälek setzt mit seinen kryptischen Lyrics noch mal einen drauf. Nur für die letzten zwei Minuten macht jemand das Fenster auf und lässt eine beruhigende Melodie zum Luft holen rein.

Doch die Erholung ist nur von kurzer Dauer. Sofort legt sich wieder diese schwere Düsternis wie ein Mantel über den ganzen Körper. Wer auf sonnigen West Coast Rap steht, streicht spätestens jetzt die Segel und düst mit seinem Escalade gen Westen. Alle anderen ergötzen sich weiterhin daran die geschätzten zwanzig Soundschichten zu dechiffrieren. „Paragraphs Relentless“ bringt alleine soviel Material mit, dass damit locker drei Songs hätten gemacht werden können. Im Fall von Dälek ist Mehr aber tatsächlich auch MEHR. Der fast schon vergessene Oldschool Flavour schimmert hier und da ebenfalls durch. Einen Geniestreich wie „Corrupt (Knuckle Up)“ muss man heute erst einmal hinbekommen und NWA hätten sich mal „Stagnant Waters“ anhören sollen, bevor sie in jedem Song peinliche Pistolenschüsse eingestreut haben.

Den Balanceakt zwischen Hip Hop und Avantgarde hätte man wirklich nicht souveräner hinbekommen können. So kommen Wortakrobaten und Tonfetischisten gleichermaßen auf ihre Kosten und arbeiten jetzt schon an einem Denkmal für Dälek. DJ Still? Who the fuck?

Benjamin Köhler

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