Rezension

Cursive

Happy Hollow


Highlights: Dorothy At Forty // Big Bang
Genre: Indie-Rock // Post-Emo
Sounds Like: ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead // Modest Mouse // Fugazi

VÖ: 18.08.2006

Ein tolles Album abzuliefern, kann manchmal Gift für einen Künstler sein. Da lässt man schon einen Hammer vom Stapel (wie Cursive „The Ugly Organ“ anno 2003), nur um sich dann einer allgemeinen Erwartungshaltung gegenüberzusehen, die schier unmöglich zu befriedigen scheint. Dementsprechend lange war auch die Künstlerpause, die sich die Band um Frontmann Tim Kasher (der allerdings zwischendurch noch ein Album mit seinem Zweitprojekt „The Good Life“ ablieferte) gönnte, was die Veröffentlichung neuer Musik angeht. Aber nun, da eine allgemeine Krise und der Ausstieg von Cellistin Gretta Cohn mehr oder weniger überwunden scheinen, war es an der Zeit, einen würdigen Nachfolger für das mittlerweile schon relativ betagte Durchbruchsalbum zu schaffen. Das allerdings mit ordentlich Wut im Bauch, wie diverse Songs auf „Happy Hollow“ zeigen. „Art is hard“, wie gesagt.

Das Cello gehört für Cursive zwar gezwungenermaßen der Vergangenheit an, doch so ganz ohne Zusatzinstrumente konnten oder wollten die vier Verbliebenen allem Anschein nach dann doch nicht. Neuerdings gibt es Bläser bei Cursive, und die machen sich in den meisten Songs auch nachdrücklich bemerkbar und verleihen ihnen einen noch chaotischeren Anstrich als sonst, wobei eingängigere Momente auf „Happy Hollow“ ohnehin eher Seltenheitswert besitzen. Den bereits sehr vielversprechenden Anfang macht „Opening the Hymnal / Babies“, in dem die Bläser zu Beginn gleich gewinnbringend zum Einsatz kommen. Direkt im Anschluss folgen die beiden absoluten Highlights der CD. Das treibende „Dorothy At Forty“, das mit reichlich Abwechslung und einem sehr energischen Tim Kasher am Mikro punkten kann, und allen voran „Big Bang“, dem vor allem die windschiefen Trompetenstöße eine schier unglaubliche Power verleihen.

Doch Cursive können auch anders: „Flag and Family“ erinnert phasenweise ein wenig an Mando Diao mit verschachtelten Songstrukturen, und Songs wie „Bad Sects“ und „Into The Fold“ haben - man höre und staune – sogar ihre ruhigen Momente. Wer sich allerdings nun Hoffnungen auf einige entspanntere Nummern macht, wird bitter enttäuscht, da eigentlich so gut wie jeder Song an irgend einer Stelle von einem Soundinferno, hervorgerufen vor allem durch die geballte Kraft von Gitarre, Schlagzeug, Bläsern und Tim Kashers Stimme, plattgewalzt wird, was übrigens alles andere als negativ gemeint ist.

Gibt es also überhaupt irgendwelche Kritikpunkte? Zu tun haben wir es hier mit einem äußerst ausgefallenen Gesamtpaket, das auch textlich überzeugt. Gerade aber in der Mitte des Albums gibt es einige Songs, die, obwohl durchaus abwechslungs- und einfallsreich, irgendwie nicht wirklich hängen bleiben wollen. Sind also 14 Songs vielleicht zu viel? Oder die Erwartungen an noch mehr verrückte Ideen zu hoch? – Fragen über Fragen. Tim Kasher selbst formuliert in „Big Bang“ sehr treffend: „We need a purpose in life, a survival guide“. Nun ja, für die 10 einsame-Insel-Platten hat es am Ende doch nicht ganz gereicht. Langweilig aber wird einem das Leben mit Platten wie dieser garantiert nicht.

Johannes Neuhauser

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